Hessen bleibt beim Glück hinter anderen Bundesländern zurück. Warum kleine Veränderungen im Alltag und Dankbarkeit laut Expertin Windmann echte Glücksbooster sein können.
Die Hessinnen und Hessen sind laut dem neuen „Glücksatlas“ 2025 kaum glücklicher als im Vorjahr. Mit durchschnittlich 7,02 Punkten auf der Zufriedenheitsskala von null bis zehn liegt das Bundesland weiter unter dem Vor-Corona-Niveau von 7,24 Punkten.
Das Wohlbefinden der Hessinnen und Hessen stieg im Vorjahresvergleich lediglich um 0,01 Punkte und liegt 2025 bei 7,02 Punkten, wie aus dem „Glücksatlas“ hervorgeht. Die Universität Freiburg erstellt regelmäßig in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL) die Umfrage zur Lebenszufriedenheit.
Hessen rutscht ab
Im bundesweiten Vergleich rutschte Hessen damit auf Rang zehn ab. Besonders zufrieden zeigten sich demnach die Menschen in Hamburg (7,33), gefolgt von Bayern und Rheinland-Pfalz (jeweils 7,21). Die Schlusslichter sind laut der Befragung Berlin (6,83), das Saarland (6,78) und Mecklenburg-Vorpommern (6,06).
„Zusammen mit Baden-Württemberg und Niedersachsen ist Hessen Teil der Gruppe westdeutscher Flächenländer, deren Bürger trotz guter Lebensumstände ein nur mäßiges durchschnittliches Wohlbefinden bekunden“, lautet das Fazit der Autoren. Das Bundesland sei daher als „Underperformer“ einzuordnen.
Der Norden ist etwas zufriedener
Der Norden Hessens ist mit 7,03 Punkten etwas zufriedener als der Süden mit 6,98 Punkten. Die Entwicklung verlief unterschiedlich: Während der Norden mit den Regierungsbezirken Kassel und Gießen seit 2022 leicht an Lebenszufriedenheit verlor (-0,06 Punkte), legte der Süden mit dem Regierungsbezirk Darmstadt deutlich zu (+0,33 Punkte).
Der urban geprägte Süden habe stärker unter der Corona-Pandemie gelitten und nun aufgeholt. „Dennoch bleibt das Zufriedenheitsniveau in beiden Landesteilen weiterhin unter dem Stand vor der Pandemie“, heißt es im „Glücksatlas“.
Warum stagniert das Glück in Hessen?
In den 2010er Jahren habe das Wohlbefinden in Hessen den Autoren der Umfrage nach noch signifikant oberhalb des gesamtdeutschen Durchschnitts gelegen. Dieser liegt aktuell bei 7,09 Punkten. Seit der Pandemie bewege sich Hessen entweder knapp darüber oder darunter.
Doch warum könnten sich viele Menschen im Land weniger glücklich fühlen? Die Psychologie-Professorin Sabine Windmann von der Frankfurter Goethe-Universität forscht zu dem Thema und gibt Antworten:
Die Gefahr besteht, dass Menschen sich zu wenig mit dem Positiven im eigenen Leben beschäftigen, „sondern dass die Gedanken zu stark fokussiert sind auf das Erschreckende andernorts“, sagte Windmann. Konflikte wie der Ukraine-Krieg und seine Ausläufer könnten dann auch als latente Gefährdung des eigenen Wohlstands wahrgenommen werden und eher unglücklich machen oder zumindest besorgt.
Expertin rät zu Abwechslung
Helfen könnte Abwechslung im Alltag: Grundsätzlich existiere in uns ein Prinzip, das Psychologen als „hedonic treadmill“, oder hedonische Tretmühle, bezeichnen, sagte Windmann. Es erklärt, warum Glück selten von Dauer ist: Kaum hat mban einen glücklichen Zustand erreicht, gewöhnt man sich an diesen und die subjektive Zufriedenheit nimmt wieder ab. „Man braucht dann einen neuen Anreiz, ein neues Erfolgserlebnis“, sagte Windmann der Deutschen Presse-Agentur.
„Das ist wie ein Motor in uns, der uns veranlasst, nicht zu stagnieren, sondern uns stets weiterzuentwickeln, und der verhindert, dass wir das Erreichte längerfristig bewusst genießen“. Helfen könnte Abwechslung im Alltag, um die Gewöhnung zu unterbrechen und auf diese Weise kleine Glücksmomente zu erleben. „Wir sollten nicht immer wieder dieselben Routinen wiederholen, sondern vielleicht mal ganz bewusst den Impuls setzen, etwas anders zu machen“, betonte Windmann.
Das könne schon mit kleinen Veränderungen im Alltag beginnen – etwa den Arbeitsweg zu wechseln, ein neues Gericht zu kochen oder einen anderen Supermarkt aufzusuchen. „Das wäre eine Art Experimentieren auf ganz ungefährliche Art und Weise“, sagte die Forscherin.
Unterschiede nach Alter und Geschlecht
Die hessenweite Erhebung ergab Unterschiede bei der Lebenszufriedenheit nach Alter und Geschlecht. Seit den 2010er Jahren haben Frauen in Hessen 0,21 Punkte an Lebenszufriedenheit verloren, Männer dagegen nur 0,03 Punkte. Jugendliche und junge Erwachsene haben das Vor-Pandemie-Niveau bereits wieder erreicht, Personen im mittleren Alter (-0,11 Punkte) und Senioren (-0,16 Punkte) haben klar verloren.
Familienstand, Wohnort und Einkommen
Die Zufriedenheit sank im langfristigen Vergleich auch bei Familien (-0,23) und Menschen mit niedrigem Einkommen (-0,27). Am niedrigsten fällt die Lebenszufriedenheit derzeit bei einkommensschwachen Familien auf dem Land aus, heißt es in der Umfrage.
Aktuell ist demnach die Einkommenszufriedenheit mit 6,75 Punkten 0,15 Punkte zwar höher als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Dies sei angesichts der hohen verfügbaren Einkommen aber nicht überraschend, heißt es in der Untersuchung. Insgesamt sei die mit objektiven Indikatoren wie Einkommen und Vereinsdichte gemessene Lebensqualität höher als die subjektiv berichtete Lebenszufriedenheit.
Dankbarkeit als Schlüssel zum Wohlbefinden
Neben Abwechslung spielt laut Psychologie-Professorin Windmann Dankbarkeit eine entscheidende Rolle für das subjektiv empfundene persönliche Glück. „Häufiger innehalten und sich bewusst machen: Was ist alles da, was mich zu dem macht, was ich bin und was mir die Möglichkeiten gibt, die ich habe“, erläuterte Windmann.
Ein einfacher, aber wirksamer Weg sei, regelmäßig ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Dies helfe, dasjenige nicht zu übergehen, was einem im Alltag so alles Gutes widerfährt oder gelingt. Menschen neigten oft dazu, Positives als selbstverständlich hinzunehmen und nur auf das zu schauen, was sie nicht erreicht haben.
Mehr Gelassenheit im Umgang mit Problemen
Windmann ist überzeugt, dass Dankbarkeit nicht nur die individuelle Zufriedenheit stärkt, sondern auch gesellschaftlich Wirkung zeigen kann. „Daraus schöpft man Kraft und Zufriedenheit – und auch die Fähigkeit, differenziert und sachlich mit Problemen in dieser Welt umzugehen“, sagte sie. Wer dankbar und innerlich stabil sei, könne Konflikten offener und gelassener begegnen – statt „ängstlich oder feindselig“ zu reagieren.
Für die Umfrage wurden von Juli 2024 bis Juni 2025 insgesamt 13.905 Menschen im Alter ab 16 Jahren durch das Institut für Demoskopie Allensbach zur allgemeinen Lebenszufriedenheit befragt. Zu den Lebensbereichen Arbeit, Einkommen, Familie und Freizeit wurden durch das Markt- und Sozialforschungsinstitut Ipsos im Juni 2025 insgesamt 5.148 Bürger im Alter ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind nach Angaben der Institute für diese Bevölkerungsgruppen repräsentativ.










