Haushaltslage: Kommunalfinanzen: „Das neue Normal sind Haushaltsdefizite“

NRW ist in eine Altschulden-Lösung eingestiegen, und es gibt Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur. Warum die NRW-Kommunen trotzdem keine Trendwende sehen, zeigt eine neue Umfrage.

Gut Dreiviertel der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen schätzen ihre Haushalts- und Finanzsituation in den kommenden fünf Jahren als mangelhaft ein. Das geht aus der jüngsten Umfrage des Städtetags sowie des Städte- und Gemeindebunds unter allen 396 Städten und Gemeinden des Landes hervor. 

Nach 26 Jahren sei er einer der dienstältesten Bürgermeister des Landes und habe mal gelernt, dass die Normalsituation ein ausgeglichener Haushalt sei, sagte Kamp-Lintforts Stadtoberhaupt Christoph Landscheidt (SPD) in Düsseldorf. „Das neue Normal – das sind aber Haushaltsdefizite.“

Die Haushaltslage sei flächendeckend dramatisch und eine Trendwende nicht in Sicht, fasste der Landesvorsitzende des Städtetags, Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), die Ergebnisse zusammen. Nur zehn Städte (2024: 15) gaben dort an, in diesem Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu haben, in dem die Einnahmen die Ausgaben decken.

Wenn der Schulden-Alarm zum Dauertinnitus wird

„Null von 396 Kommunen sagen: Wir sind so aufgestellt, dass wir unsere Aufgaben wirklich sehr gut erbringen können“, sagte Eiskirch. „Das ist kein Alarmsignal, eigentlich ist es ein Dauertinnitus, den man haben muss.“ Und das sei in NRW mittlerweile flächendeckend in allen Strukturen, also ländlich und urban geprägten, zu finden. 

50 Kommunen (2024: 47) unterliegen der Erhebung zufolge bereits der Haushaltssicherungspflicht. Das heißt, sie müssen mit einem Konzept regelmäßig nachweisen, mit welchen Konsolidierungsmaßnahmen sie mittelfristig wieder einen Haushaltsausgleich erreichen wollen.

Die Mittel der Kommunen reichten nicht aus, um auch nur die gesetzlich verpflichtenden Aufgaben zu erfüllen, sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW, Landscheidt. „Und dann bleibt uns eben nichts anderes übrig, als Reserven aufzubrauchen, uns zu verschulden, Steuern zu erhöhen und Leistungen zu kürzen.“

Wo es beim Stadtbild hapert 

Praktisch stelle sich dann die stark strapazierte Stadtbild-Debatte wie folgt dar: „Grünflächenpflege gehört zum Stadtbild, saubere Straßen, Straßen kehren, Abfallbeseitigung gehört zum Stadtbild, auch Angsträume zu beseitigen, mit Security, mit eigenem Ordnungspersonal“, zählte Landscheidt auf. 

„Das kostet alles Geld. Das kann man den Bürgern auflasten durch Gebühren und höhere Steuern oder man muss darauf verzichten“, führte der Rechtsprofessor aus. „Und wenn man darauf verzichtet, hat man ein Stadtbild, das wir nicht wollen.“ Hier liege ein wesentlich größeres Problem, als das, was der Bundeskanzler angesprochen habe. Friedrich Merz (CDU) hatte eine Debatte rund um Stadtbild und Migration losgetreten. 

Auch Eiskirch warnte davor, die Finanzausstattung der Kommunen so auf Kante zu nähen, dass das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates schwinde. Das Sondervermögen Infrastruktur helfe den Kommunen zwar, reiche aber nicht aus, um die strukturelle und chronische Unterfinanzierung ihrer Haushalte zu beheben, kritisierten die Verbände. Selbst, wenn alle Altschulden übernommen würden, müssten die Kommunen neue Kredite aufnehmen, wenn das nicht gelöst werde. 

Wo die Kosten am schnellsten steigen

Allein die Sozialausgaben, die die Kommunen wegen Bundesgesetzen leisten müssten, hätten sich seit 2009 mehr als verdoppelt und stiegen inzwischen jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Rasante Steigerungen gebe es besonders bei der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen und in der Pflege, erläuterte Eiskirch. 

Die Kommunalverbände dringen darauf, dass der Bund mit einem Gesetz zu Jahresbeginn in die Altschuldenhilfe für bedürftige Kommunen einsteigt. Bislang hätten sie aber keine Vorlage gesehen, sagten die Landesverbandschefs. „Wir zählen auf die Zusage“, sagte Landscheidt. Zu befürchten sei allerdings, dass ein solches Gesetzgebungsverfahren bis zum Jahresbeginn gar nicht mehr zu schaffen sei. Das Land NRW ist bereits in eine Altschuldenhilfe eingestiegen. 

Kein Geld mehr für weiter steigende Kita-Kosten 

Tatsächlich steige die Aufnahme der Kassenkredite für kurzfristige Liquiditätsengpässe gerade wieder, berichteten die Verbände. Zusätzliche Aufgaben für die Städte und Gemeinden wie der Ganztag für Grundschulkinder oder die Digitalisierung an Schulen seien völlig unterfinanziert. Auch weiter steigende Kosten in der Kita-Landschaft könnten die Kommunen aus eigener Kraft nicht mehr stemmen.

„Die Kommunen in NRW brauchen dauerhaft deutlich mehr Mittel, nicht nur einzelne Programme zur Entschuldung oder für Investitionen, sonst rutschen wir immer weiter ins Minus“, mahnten die Verbände. Dazu gehöre die Erhöhung des kommunalen Anteils aus dem Steuertopf.

Der Bund der Steuerzahler und die SPD-Landtagsfraktion unterstützten die Forderungen und appellierten an das Land, die kommunale Schieflage zu beseitigen. „Das Land muss den Kommunen endlich mehr von seinen Steuereinnahmen abgeben, den Verbundsatz erhöhen und sich mehr an den Soziallasten beteiligen“, bekräftigte der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Justus Moor.