Robert Dorsay, der rundliche Mann mit dem verschmitzten Zwinkern, stieg in den 1930ern zum beliebten Schauspieler und Kabarettisten auf. Doch ein Witz wurde ihm zum Verhängnis.
Im Wikipedia-Artikel des Schauspielers Robert Dorsay findet sich – ein Witz.
Ungewöhnlich genug. Die Geschichte dahinter ist allerdings überhaupt nicht zum Lacher: Dieser Witz ist der Grund, warum Dorsay mit nur 39 Jahren sterben musste. Er wurde 1943 im Gefängnis Berlin-Plötzensee geköpft.
Seinen Namen kennt heute kaum mehr jemand. Dabei war der rundliche Mann mit dem pfiffigen Gesicht fast so etwas wie ein Star des nationalsozialistischen Entertainments. Dorsay, 1904 unter dem Namen Robert Stampa in Bremen als Sohn eines Opernsängers geboren, war Kabarettist und Komiker, Schauspieler und Sänger. Er brachte es zu passabler Berühmtheit, spielte mit Zarah Leander oder Gustaf Gründgens. Er lächelte sich verschmitzt durch Wohlfühl-Filme wie „Meine Frau, die Perle“ oder „Liebesbriefe aus dem Engadin“. Doch er liebte politisches Kabarett, Swingmusik und hatte eine große Klappe. Attribute, die mit dem Nazi-Regime nicht unbedingt vereinbar waren.
Eine Schauspielkarriere im NS-Deutschland
Dennoch hatte Dorsay bis 1942 eine solide Karriere. Denn er tat, was viele taten: Er passte sich dem Regime an, soweit das für seinen Beruf förderlich war. Von 1932 an war er sogar Mitglied der NSDAP. Freiwillig, noch bevor es Pflicht gewesen wäre. Zumindest für einen Moment scheint er an den Nationalsozialismus also wirklich geglaubt zu haben. Ein Fehler, den viele von der Weimarer Politik frustrierte Deutsche damals machten. Bei Dorsay folgte jedoch schnell die Ernüchterung.
Er hörte auf, die Parteibeiträge zu bezahlen und wurde deshalb schon 1933 wieder aus der Partei ausgeschlossen. Als man ihn gute zehn Jahre später drängen wollte, erneut einzutreten, sträubte er sich vehement und weigerte sich. In fragwürdigen Filmen wie „Robert und Bertram“ (1939) spielte er jedoch trotzdem mit. Bis heute gilt der Streifen als sogenannter „Vorbehaltsfilm“, der nicht frei erhältlich ist, weil Juden darin durchweg als „komische Untermenschen“ gezeigt würden, getreu dem NS-Weltbild.
Er liebte Swing, aber spielte in Nazi-Filmen mit
Und auch sonst eignet sich die tragische Geschichte des lustigen Bremers wenig als Beispiel des edlen Widerstandskampfes. Zu viele Fehler machte Dorsay, zu menschlich irrte und schlingerte er durch die Wirren des Dritten Reichs. Seine Geschichte ist aber vielleicht genau deshalb so berührend: Weil sie die eines Menschen ist, der am Ende trotz seines Erfolgs, trotz einflussreicher Freunde, trotz seines Mitlaufens an einem menschenverachtenden System zugrunde ging.
Wegen eines Witzes.
Robert Dorsay war kein Jude, auch kein Sinto oder Roma. Kein Ausländer und kein Kommunist. Nicht homosexuell, nicht von einer Behinderung betroffen. Dafür ein beliebter Volksschauspieler, der dem Krieg hätte entgehen können. Einer wie er hätte es unbeschadet durch die Hitler-Zeit schaffen können. So wie sein berühmter Kollege Heinz Rühmann. Aber Robert Dorsays Kopf fiel unter dem Fallbeil der Nazis. Nicht einmal jemand mit seinen Privilegien war sicher.
Ein Witz über Hitler wurde ihm zum Verhängnis
Den Witz, der ihm zum Verhängnis wurde, erzählte Dorsay im März 1943 bei einer Teerunde im Café des Deutschen Theaters in Berlin. Anwesend gewesen sein sollen unter anderem eine „Schweizerin“, namentlich nicht bekannt, und der regimekritische Schauspielkollege Karl John, damals 38 Jahre alt. Ebenfalls dabei war, ohne dass jemand im Raum es wusste, ein Gestapo-Spitzel, der die bissige Unterhaltung der Runde mit anhörte.
Der Witz lautet: „Bei Hitlers Einzug in eine Stadt hält ihm ein Mädchen ein Büschel Gras entgegen. Hitler fragt: ‚Was soll ich damit?‘ Das Mädchen antwortet: ‚Alle sagen, wenn der Führer ins Gras beißt, kommen bessere Zeiten.'“
Der Spitzel berichtete dem Propagandaministerium davon. Karl John hatte Glück, denn er war eng mit dem Regisseur Wolfgang Liebeneiner befreundet, für den er gerade vor der Kamera stand. Nach der Teerunde rief Propagandaminister Goebbels verärgert den Regisseur zu sich, um ihn über John auszufragen. Wolfgang Liebeneier wurde unter Strafe verboten, dem Schauspieler von der Befragung zu berichten. Weder er noch Dorsay sollten wissen, dass sie sich im Visier der Gestapo befanden.
Doch Wolfgang Liebeneier verriet Karl John, in welcher Gefahr er sich befand. Der inszenierte daraufhin zusammen mit einem ihm bekannten Arzt einen schweren Unfall, ließ sich einen Schädelbasisbruch attestieren und in ein Sanatorium einweisen. So war er für die nächsten Wochen aus der Schusslinie und in Sicherheit.
Hinrichtung durch die Nazis
Dorsay jedoch tappte völlig im Dunkeln. Er ahnte nicht, dass die Nazis sofort begannen, seine privaten Briefe abzufangen und zu lesen. Und so nahm er kein Blatt vor den Mund, als er Ende März – nur gute drei Wochen nach der verhängnisvollen Teerunde – an seinen Freund Eddy Haase schrieb: „Wann ist endlich Schluss mit dieser Idiotie. Idiotie, anders kann man es schon gar nicht bezeichnen.“ Das reichte. Dorsay wurde verhaftet, da er „öffentlich den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu zersetzen“ versuche. Er blieb bis Oktober im Gefängnis. Dann köpften ihn die Nazis.
„Das am 8.10.43 ergangene Todesurteil ist nach Bestätigung am 29.10.43 vollstreckt worden. Todesanzeigen oder Nachrufe in Zeitungen, Zeitschriften und dergl. sind verboten“, stand in schnöder Schreibmaschinenschrift in der knappen, furchtbar bürokratischen Nachricht, die Dorsays Frau Louise noch am selben Tag überreicht bekam.