morgen|stern: Jens Spahns Prinzip Hoffnung macht noch keine gute Politik. Die Lage am Morgen

Unionsfraktionschef Spahn könnte sich täuschen, die ostdeutschen Länder wollen mehr Rüstungsaufträge und eine Apfelessig-Studie war zu schön, um wahr zu sein. Das ist heute wichtig.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser, 

es ist schon erstaunlich, wie ein eigentlich in der Vergangenheit nahezu geräuschloser Vorgang nun zu einer fast staatstragenden Handlung werden konnte: Heute soll der Bundestag drei neue Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wählen. 

Als der erste Wahlgang kurz vor der parlamentarischen Sommerpause gescheitert war, stürzte das die Koalition in eine Krise. Der Fraktionschef der Union, Jens Spahn, hatte die angesetzte Wahl kurz zuvor absagen lassen, weil er den Unmut in seiner Fraktion gegen eine der Kandidatinnen, die Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf, unterschätzt hatte – und die Sache tagelang einfach laufen ließ.

Jens Spahns Prinzip Hoffnung macht noch keine gute Politik

Vor dem neuen Anlauf, bei dem nicht mehr Brosius-Gersdorf, sondern neben dem Arbeitsrichter Günter Spinner und der Rechtswissenschaftlerin Ann-Katrin Kaufhold nun auch die Verwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger gewählt werden sollen, zeigte sich Spahn zuversichtlich. „Ja, es wird klappen“, sagte er. 

Wenn er sich da mal nicht täuscht. Das Prinzip Hoffnung macht schließlich noch keine gute Politik. Die Koalition hatte nach dem Rückzug von Brosius-Gersdorf die Chance, das Verfahren professionell aufzuziehen und eine demokratische Mehrheit für die drei Kandidaten sicherzustellen. Weil es für die Wahl eine Zweidrittel-Mehrheit braucht, sind Union und SPD auf Stimmen von Grünen und Linken angewiesen.

Doch beide Oppositionsparteien sind aufgrund mangelnder Einbindung verstimmt. Die Grünen haben ihre Fraktion trotzdem aufgefordert, die Kandidaten zu wählen – die staatspolitische Verantwortung ruft. Bei den Linken sieht es anders aus, denn aus der Union hat offenbar niemand mit der Partei gesprochen. Hier hat man wegen des eigenen Unvereinbarkeitsbeschlusses, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ablehnt, die SPD vorgeschickt. Sprechen kann man nicht, aber die Stimmen will man schon? Der Unmut bei der Linken sitzt zu Recht tief. So setzt die Union mutwillig die Richterwahl aufs Spiel – zum zweiten Mal.

Ostdeutsche Länder fordern einen größeren Anteil an der Aufrüstung

Heute treffen sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Friedrich Merz. Vor der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz auf Schloss Ettersburg bei Weimar forderte Thüringens Regierungschef Mario Voigt ein größeres Engagement des Bundes in den neuen Ländern – und mehr Rüstungsaufträge. 

„Wir haben starke Industrieunternehmen, etwa in der Optik oder der Robotik, die beim Thema Verteidigungsfähigkeit einiges beizutragen haben“, sagte der CDU-Politiker dem stern. Darauf müsse der Bund bei der Auftragsvergabe stärker sein Augenmerk richten. „Der Osten ist an dieser Stelle historisch bedingt benachteiligt“, sagte er. „Umso mehr muss er jetzt berücksichtigt werden.“ 

Apfelessig macht gesund und schlank? Bekannte Studie zurückgezogen

Es klang zu schön, um wahr zu sein – und das ist es auch: Eine Studie, die nahegelegt hatte, dass man durch das Einnehmen von simplem Apfelessig ordentlich abnehmen könnte, wurde zurückgezogen. Die klinische Studie, die im Fachjournal „BMJ Nutrition, Prevention & Health“ veröffentlicht worden war, hatte breiten Anklang bei Influencern gefunden und war weit verbreitet worden. Die Autoren räumten nach dem Rückzug des Artikels Fehler ein.

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Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!

Herzlich

Lisa Becke