Kathy Hendrich zog im EM-Viertelfinale gegen Frankreich an einem Zopf und sah Rot. Jetzt spricht die Fußballerin über die Folgen.
Es war die wohl heiß diskutierteste Szene der gesamten Fußball-EM: Deutschlands Kathrin Hendrich (33) zog im Viertelfinale gegen Frankreich am Zopf einer Gegenspielerin und sah dafür die Rote Karte. Bis heute hatte sich die Fußballerin nicht zu dem Platzverweis geäußert. Im Interview mit der „Bild am Sonntag“ spricht sie nun über ihre Aktion und deren Folgen. „Ich war und bin damit völlig im Reinen“, stellt Hendrich klar.
Hendrich spricht von „unglücklicher Situation“
Bei einer Hereingabe in den deutschen Strafraum in der 13. Spielminute hatte Hendrich ihre Gegenspielerin Griedge Mbock Bathy fest an den Haaren gezogen. Der VAR griff ein, die Schiedsrichterin schaute sich die Szene im Video an und zeigte Rot wegen „Violent Conduct“, unsportlichem Verhalten.
Das löste eine hitzige Debatte über Kathy Hendrichs Beweggründe aus. Während Ex-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem Spiel im „SRF“-Studio von einem „Blackout“ sprach, sieht die Verteidigerin die Situation völlig anders. „Es war weder böse noch ein Blackout. Es war eine unglückliche Situation“, betont sie. „Ich versuche, den Kontakt zur Gegenspielerin zu halten, schaue aber nicht zu ihr, sondern zum Ball. […] Dann merke ich aber, dass ich irgendwo festhänge und will meine Hand wegziehen. Dass es ihre Haare waren, habe ich erst viel später realisiert.“
Hass und Rassismus-Vorwürfe
Was nach der Roten Karte folgte, war für Hendrich ein Albtraum. Die DFB-Spielerin wurde zur Zielscheibe in den sozialen Medien. „Mir haben wildfremde Menschen private Nachrichten bei Instagram geschrieben“, berichtet sie. „Das Absurdeste war der Vorwurf, ich sei rassistisch, was natürlich nicht stimmt.“ Doch es kam noch schlimmer: „Das krasseste aber war, dass ich mich umbringen soll.“
Hendrich sei froh gewesen, nach der EM zu ihrem neuen Verein Chicago Red Stars wechseln zu können. Doch selbst in den USA verfolgte sie die Szene: „In den ersten Tagen habe ich in einem Café mit einer fremden Frau gesprochen. Irgendwann kamen wir auf das Thema Fußball, sie wusste von der Roten Karte, aber nicht, dass ich das bin. Das fand ich krass, weil ich am anderen Ende der Welt war, und die Leute es trotzdem mitbekommen haben.“ Auch die Fußballfans in den USA seien skeptisch ihr gegenüber gewesen – eine Mitspielerin habe ihnen erst erklären müssen, dass die Sportlerin „lieb sei“.
Unterstützung erhielt die 86-fache Nationalspielerin aus ihrem direkten Umfeld. „Aus meiner Mannschaft, von meinen Freunden und auch der Familie gab es nur Trost“, berichtet sie. Sie rät davon ab, Hassnachrichten zu lesen: „Ich würde heute jedem raten, die Nachrichten gar nicht mehr anzuschauen, weil es dich unterbewusst doch trifft.“