Hohe Kosten: Sozialausgaben in Kommunen teils explodiert

Ruf nach Reformen bei Sozialleistungen: Im Land wird gestritten, was möglich und nötig ist. Wie sieht es bei den Kommunen aus?

Wohn- und Bürgergeld, Kinder- und Jugendhilfe oder Leistungen für Asylbewerber: In der Diskussion um eine Reform der Sozialleistungen sehen auch Kommunen in Hessen dringend Handlungsbedarf. Die Kosten für Sozialleistungen, aber auch die Personalkosten sind in einigen Landkreisen in den vergangenen Jahren explodiert, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. 

Kommunen am Rand der Handlungsfähigkeit

„Die Aufgabenfülle, die die Landkreise per Gesetz zu erbringen haben, muss sich an den Ressourcen orientieren, die Bund und Land hierfür auch zur Verfügung stellen“, heißt es beim Landkreis Bergstraße. „Die strukturelle Schieflage, wie wir sie seit vielen Jahren erleben, wird die Kreise weiter an den Rand der Handlungsunfähigkeit führen.“ 

In vergangenen Tagen hatten sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) einen Schlagabtausch über die Milliardenkosten für das Soziale geliefert. Merz betonte mehrfach, man könne sich den Sozialstaat so wie heute nicht mehr leisten. Über Reformen und Einschnitte bei den Sozialausgaben wird kontrovers diskutiert.

Der Landkreistag hatte unlängst aufgrund eines Rekordminus bei den Kommunen Kürzungen bei den Sozialleistungen gefordert und als Kernproblem der Kommunen die gestiegenen Personalkosten und Sozialausgaben ausgemacht. Auch der Hessische Städte- und Gemeindebund sieht dringenden Handlungsbedarf bei den Kommunalfinanzen und forderte den Löwenanteil des 100-Milliarden-Sondervermögens des Bundes für Landes- und Kommunalinvestitionen für die Kommunen.

Stark gestiegene Ausgaben in den vergangenen Jahren

„Den Landkreisen fehlt insbesondere angesichts enormer Transferleistungen in die soziale Sicherung jeglicher Handlungsspielraum“, hatte der Hessische Landkreistag schon im November vergangenen Jahres in seiner Wiesbadener Erklärung festgestellt. Für den Hochtaunuskreis und andere Kommunen ist klar: „Es dürfen keine weiteren Aufgaben mehr von Bund und Land an die Kommunen delegiert werden, ohne dass den Kommunen auch die für deren Umsetzung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden.“

Die Dimension bei den Kosten der Sozialleistungen zeigt unter anderem der Kreis Kassel auf. Zu den sogenannten Transferkosten teilt die Kommune mit: „Im Jahr 2015 betrugen sie rund 98,3 Millionen Euro, während für das Jahr 2025 ein Finanzvolumen von etwa 175 Millionen veranschlagt wird.“ Das sei ein Anstieg um 78 Prozent und dokumentiere die Dynamik im Bereich der sozialen Leistungen. 

Gründe seien die Ausweitung des Berechtigtenkreises unter anderem auf Flüchtlinge aus der Ukraine, höhere Standards, insbesondere bei der Kinder– und Jugendhilfe oder auch höhere Fallzahlen und Kosten bei der Hilfe zur Pflege. „Die Gründe für die Ausgabensteigerungen lassen sich vor allem auf gesetzliche Standards zurückführen, die in der Sozialgesetzgebung insbesondere von Seiten des Bundes gesetzt und ausgeweitet werden“, heißt im Kreis Bergstraße.

Auch in anderen Kreisen klagt man über Mehraufwendungen, auch wenn grundsätzlich höhere Standards und bessere Leistungen zu begrüßen seien. Dem Kreis Marburg-Biedenkopf zufolge hat es bei den Kernaufgaben in den vergangenen fünf Jahren erhebliche Mehraufwendungen im zweistelligen Millionenbereich gegeben. Im Werra-Meissner-Kreis stiegen sie von 58,4 Millionen Euro im Jahr 2020 auf geplant 94,2 Millionen in diesem Jahr. „Diese äußerst erheblich Steigerung ist dabei keine Momentaufnahme, sondern gelebte Haushaltspraxis der vergangenen Jahre“, stellt der Kreis Bergstraße angesichts eines Anstiegs bei Transferausgaben von 299 Millionen vergangenes Jahr auf voraussichtlich 321 Millionen Euro in diesem Jahr fest. 

Kaum noch Gestaltungsspielräume

„Den Landkreisen fehlt insbesondere angesichts enormer Transferleistungen in die soziale Sicherung jeglicher Handlungsspielraum“, beklagt der Vogelsbergkreis. „Die immer weitergehende Regelungsdichte der bundes- und landesrechtlichen Vorgaben führt dazu, dass den Kommunen kaum noch sachliche Gestaltungsspielräume bleiben.“ 

Großteil kommunaler Ausgaben wegen Bund

Auch die Personalausgaben sind wegen immer umfassenderen Aufgaben und höheren Entgelten gestiegen. Wie viele Ausgaben aus dem Haushalt letztendlich auf Bundes- oder Landesgesetzgebung zurückzuführen sind, können manche Kommunen nicht beziffern. Andere schätzen das Volumen. „Etwa 70 bis 80 Prozent der kommunalen Ausgaben lassen sich auf Aufgaben zurückführen, die durch die Bundesgesetzgebung bestimmt oder initiiert wurden. Dieser Anteil ergibt sich aus der Tatsache, dass Kommunen einen Großteil ihrer Tätigkeiten im sogenannten übertragenen Wirkungskreis ausführen“, heißt es beim Vogelsbergkreis. 

Zu den bundesgesetzlich geregelten Aufgaben würden zum Beispiel Sozialhilfe, Bürgergeld, Kinder- und Jugendhilfe, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss oder Asylbewerberleistungen zählen.