Meinung: Verkünder der Wahrheit: Boris Palmer bringt bei Lanz die ewig alte Leier

Boris Palmer zeigte in der Diskussion mit anderen Kommunalpolitikern bei „Markus Lanz“ vor allem eines: Er bleibt ein hoffnungsloser Fall.

Boris Palmer sitzt entspannt und routiniert im Sessel bei „Markus Lanz„. Mit ihm sind weitere Kommunalpolitiker zu Gast: André Neumann, CDU-Oberbürgermeister im thüringischen Altenburg, Jutta Steinruck, parteilose Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, und Astrid Klinkert-Kittel, SPD-Landrätin in Northeim. Die Themen sind Flüchtlingspolitik, Integration, eine überforderte Bürokratie und angespannte Finanzen – es geht also um nichts weniger als das große Ganze aus Sicht der Kommunen. Die ideale Bühne für einen wie Boris Palmer, der von der schwäbischen Provinz aus gern seinem Hang zum Welterklärertum nachhängt.

Zuletzt hatte Palmer mit dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier ein Streitgespräch in der Tübinger Stadthalle geführt – die öffentliche Aufmerksamkeit war ihm sicher, es gab genug Demonstranten, die die Veranstaltung störten. Am Ende gab es ein Lob vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann: „Das war einen Versuch wert“, sagte der Grüne, früher ein Parteifreund des ausgetretenen Palmers.

Ein anderer Boris Palmer? Eher nicht

Als Palmer nun bei Lanz saß, bekam man schnell Zweifel an dem Lob von höchster Stelle. Ein anderer Palmer? Eher nicht. Der 53 Jahre alte Kommunalpolitiker zeigte sich einmal mehr als Verkünder der Wahrheit, als der er sich so gern sieht. 

Blöd nur, dass er es nach altbekannter Methode machte. Wie alle, die behaupten, die Lösung aller Probleme zu kennen, verzerrte er die Realität. „Wer hat denn innerhalb von 14 Monaten 25 Prozent Lohnerhöhung?“, sagt er zum Beispiel in Bezug auf ukrainische Geflüchtete. Palmer meinte damit die Erhöhungen des Bürgergeldes in den vergangenen zwei Jahren, die auch für die Ukrainer gelten. Ohne Kontext und Hintergrund (vorher gab es lange keine Inflation, etc.) erweckte er den Eindruck: Wer den Regelsatz 563 Euro (für Alleinstehende) erhält, lebt in Saus und Braus. 

Über die Tatsache, dass Ukrainer Bürgergeld erhalten, darf man streiten. Man darf aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Ukrainer im Grunde nur wegen des Bürgergeldes im Land seien. So mancher, der Palmer zuhört, wird diesen Eindruck haben.

Zum Glück gibt es differenziertere Kommunalpolitiker

Vieles in Palmers Argumentation ist schief. Der 53 Jahre alte Kommunalpolitiker, der einst bei den Grünen austrat, bevor er rausgeschmissen wurde, sieht es so: „Man muss den Leuten reinen Wein einschenken.“ So habe damals auch schon sein Urteil über die Flüchtlingskrise 2015 gelautet. Das sei die „Selbstaufgabe des Staates“ gewesen. Was er nicht erwähnt: 64 Prozent der 2015 eingetroffenen Menschen zwischen 15 Jahren und dem Renteneintrittsalter gehen einer abhängigen Beschäftigung nach. In der Gesamtbevölkerung liegt diese Beschäftigungsquote demnach mit 70 Prozent nur etwas höher.

Anderes Beispiel: Ein weiteres Problem sei die steigende Kriminalität unter Geflüchteten. Boris Palmer betonte, dass es „zehnmal mehr Straftaten im Gewaltbereich“ gebe, die von Syrern, Irakern und Afghanen begangen würden, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspreche. Gleichzeitig führte er die sinkenden Tötungsdelikte an. Das Land sei in diesem Punkt sicherer geworden. „Diese Doppelbotschaft müssen wir jetzt endlich mal ehrlich angehen.“ Man denkt: Gut, dass Boris Palmer zur Stelle ist, der uns alles mal erklärt.

Zum Glück für dieses Land gibt es Kommunalpolitiker, die eine differenziertere Sicht auf die Probleme haben. Das bewiesen die anderen drei Gäste, die sachlich und konkret die Herausforderungen schilderten. Einmal gerieten Palmer und die parteilose Bürgermeisterin Steinruck aus Ludwigshafen sogar kurz aneinander. Vor der Sendung habe Steinruck ihre Mitarbeiter befragt, und sie könne sagen, dass es bei den Ausländern in Ludwigshafen keine erhöhte Kriminalität gebe, bemerkte Steinruck, worauf Boris Palmer ihr ins Wort fiel: „Das kann gar nicht sein“, dass Ludwigshafen da eine Ausnahme von der Kriminalstatistik bilde. „Du redest für Tübingen, ich rede für Ludwigshafen“, stellte Steinruck daraufhin klar.