Apotheken: Warum Abnehmspritzen Kriminelle anlocken

Um an die begehrten Abnehmspritzen zu kommen, fälschen manche Menschen Rezepte. Dies wird immer mehr zum Thema für Polizei, Apotheken und Krankenkassen. Und für Konsumenten kann es gefährlich werden.

Abnehmspritzen sind zu regelrechten Lifestyle-Produkten geworden. Auch Promis pushen die Nachfrage. So hat sich etwa der SpaceX- und Tesla-Chef Elon Musk öffentlich dazu bekannt, sie zu nutzen. Zwischenzeitlich gab es Lieferengpässe. Der Hype ruft Kriminelle auf den Plan. Das fängt schon bei gefälschten Rezepten an. Ein Überblick:

Was sagen die Ermittler?

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in den vergangenen beiden Jahren ein Anstieg der Fälle von Rezeptfälschungen beobachtet, mit denen Menschen an gewichtsreduzierend wirkende Arzneimittel kommen wollten. Eine genaue Statistik dazu gibt es laut einem Sprecher aber nicht. 

Im Sicherheitsbericht 2024 des Innenministeriums Baden-Württemberg ist das Phänomen ebenfalls ohne konkrete Zahlen beschrieben. „Bei den ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich oftmals um reisende und überregional agierende Tätergruppierungen mit osteuropäischer Herkunft“, heißt es dort.

Auch der GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen berichtete davon, dass in den vergangenen beiden Jahren vor allem die Zahl professionell gefälschter Papierrezepte drastisch zugenommen habe.

Was wird gefälscht?

Bei den gefälschten Rezepten geht es nach Einschätzung von Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), um solche in Papierform. Die seien inzwischen so gut zu fälschen, dass Apothekerinnen und Apotheker kaum eine Chance hätten, dies zu entlarven. „Da geht es manchmal um Arztadressen oder Angaben von Versicherten, die es gar nicht gibt“, sagt Preis im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Sind E-Rezepte eine fälschungssichere Lösung?

„Fälschungen von E-Rezepten kennen wir bisher nicht“, sagt der Apotheker. Beim GKV heißt es zumindest, eine konsequente Nutzung des E-Rezeptes dürfte Fälschungen in Zukunft deutlich erschweren.

Welche Gründe gibt es für den Anstieg?

Dass Fälschungen für Produkte wie „Ozempic“ und „Wegovy“ zunehmen, erklärt Preis damit, dass „Berichte in der Laienpresse oder Werbung durch Influencer“ die Nachfrage nach diesen Präparaten fördern. „Das macht es dann verführerisch für Kriminelle.“ 

Aus Sicht des BKA ist davon auszugehen, „dass die gesteigerte Nachfrage, der eingeschränkte Patientenkreis sowie der höhere Preis dieser Arzneimittel ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen“.

Wofür werden die Medikamente eigentlich genutzt?

Während die Präparate „Ozempic“ und „Mounjaro“ in erster Linie zur Behandlung von Diabetes gedacht sind, ist „Wegovy“ ein verschreibungspflichtiges Medikament, das beim Abnehmen und Halten von Gewicht helfen soll. Auch die zwei anderen Präparate haben diesen Effekt.

Wie wirken die Präparate?

Die entscheidenden Wirkstoffe heißen Semaglutid und Tirzepatid. Sie imitieren unter anderem die Wirkung des Darmhormons GLP-1 (Glucagon-like peptide-1): Dem Gehirn wird mitgeteilt, dass gegessen wurde und es ein Sättigungsempfinden entwickeln könne. Der Appetit wird also gezügelt.

Welche Vorgaben gibt es für solche Medikamente?

In Deutschland sind Diabetes-Medikamente verschreibungs- und folglich apothekenpflichtig, erklärt das Stuttgarter Innenministerium im Sicherheitsbericht. „Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten.“ Bei einer Verordnung mittels Privatrezept zur Behandlung von Adipositas müssen die Anwenderinnen und Anwender demnach das Medikament selbst bezahlen.

Wer bemerkt, dass es eine Fälschung ist?

Oft falle die Fälschung erst bei einer Prüfung durch die Krankenkassen auf, sagt Preis. Diese würden sich häufig weigern, die Kosten zu übernehmen, wodurch die Apotheken auf den Kosten sitzen blieben. „Das ist ein großer finanzieller Schaden“, macht der ABDA-Präsident deutlich. 

Auch der GKV-Spitzenverband erläutert, dass selbst vergleichsweise wenige Fälle im Ergebnis hohe Schadenssummen verursachten. Das liege daran, dass diese Arzneimittel besonders hochpreisig seien.

Können Apotheken die Herausgabe der Mittel verweigern?

Die Apotheken sind in einem Spannungsverhältnis: „Man muss schon schwerwiegende Gründe haben, um eine Versorgung mit Arzneimitteln zu verweigern“, sagt Preis. „Bei Hunderten eingelösten Rezepten pro Tag müssten die Mitarbeitenden hier sehr schnell abwägen und entscheiden.“

Gibt es Gefahren?

Preis warnt davor, rezeptpflichtige Abnehmpräparate ohne Begleitung von Ärzten oder Apothekern einzunehmen – was bei gefälschten Rezepten in der Regel aber der Fall sei. „Eine Eigentherapie ist gefährlich“, warnt er. 

Gleiches gelte für Mittel auf dem Schwarzmarkt, deren Dosierung oft nicht stimme. Manchmal enthielten sie auch gar keinen Wirkstoff, gesundheitsschädliche Dosierungen oder andere, bedenkliche Stoffe. 

Werden auch Medikamente selbst gefälscht?

Ja, das passiert auch. Im baden-württembergischen Sicherheitsbericht wird der Kauf von 199 Packungen „Ozempic“ durch einen Freiburger Großhändler geschildert. „Auffällig dabei: Die gelieferten Ozempic-Stifte weisen alle die identische Seriennummer auf.“ Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe die Überwachungsbehörde in Karlsruhe informiert. 

Diese bestätigte demnach, dass es sich um umetikettierte Insulin-Stifte handele. Ferner habe sie festgestellt, dass der Arzneistoff Semaglutid in diesen Proben nicht vorhanden war. Das Insulin wiederum könne zu einer lebensbedrohlichen Unterzuckerung bei Nutzerinnen und Nutzern führen. 

Die gefälschten Produkte tauchten den Angaben zufolge auch in Großbritannien und Österreich auf. Bei den Ermittlungen hätten sich Bezüge nach Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie ins inner- und außereuropäische Ausland ergeben.