Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen viele Nazis und NS-Kollaborateure nach Argentinien. Aber schon vorher soll es enge Verbindungen gegeben haben, zeigt ein überraschender Fund.
Im Keller des Obersten Gerichtshof von Argentinien sind Justizmitarbeiter auf mehrere alte Champagner-Kisten vollgestopft mit Nazi-Propaganda gestoßen. Sieben Holzkisten mit Postkarten, Fotos, Propagandamaterial, Notizbüchern und Parteimitgliedschafts-Dokumenten seien gefunden worden, teilte das Gericht am Montag mit.
Entdeckt wurden die Kisten zufällig bei Umzugsarbeiten zur Vorbereitung eines geplanten Museums in dem Gebäude. „Beim Öffnen einer der Kisten wurde Material identifiziert, das zur Festigung und Verbreitung der Ideologie Adolf Hitlers in Argentinien mitten im Zweiten Weltkrieg bestimmt war“, teilte die Justizbehörde mit. Die restlichen Kisten seien am Freitag in Anwesenheit des Oberrabbiners des jüdischen Gemeindezentrums Amia und Vertretern des Holocaust-Museums in Buenos Aires geöffnet worden.
Hinweise auf den Holocaust gesucht
„Angesichts der historischen Bedeutung des Fundes und der potenziell wichtigen Informationen, die er zur Aufklärung von Ereignissen im Zusammenhang mit dem Holocaust enthalten könnte“, habe der Präsident des Obersten Gerichtshofs „eine umfassende Untersuchung des gesamten gefundenen Materials angeordnet“, erklärte das Gericht. Hauptziel sei es festzustellen, ob das Material „wichtige Informationen über den Holocaust enthält“ und ob die gefundenen Dokumente Aufschluss „über noch unbekannte Aspekte geben können“, etwa zu Nazi-Geldern.
Die 83 Pakete waren 1941 von der deutschen Botschaft in Tokio über ein japanisches Schiff nach Argentinien verschickt worden. Die deutsche diplomatische Vertretung in Argentinien hatte den Inhalt als „persönliches Eigentum ihrer Mitglieder“ deklariert und um ihre kostenlose Freigabe gebeten. Argentinische Zollbeamte stoppten jedoch die Einfuhr – auf Anordnung eines damaligen Bundesrichters. Die Dokumente verschwanden dann offenbar jahrzehntelang unbeachtet im Gerichtskeller.
Historiker und Restauratoren werden nun die Materialien sichten. Ziel sei es, neue Erkenntnisse über die Verbreitung nationalsozialistischer Netzwerke in Argentinien und mögliche Hinweise auf Finanzflüsse der Nazis zu gewinnen.
Argentinien wurde zum Zufluchtsort für Nazis und Kollaborateure
In Argentinien gibt es die größte jüdische Gemeinde Lateinamerikas. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust mit der Ermordung von sechs Millionen Juden in Europa sollen nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Centers jedoch auch Tausende Nationalsozialisten und NS-Kollaborateure in das Land geflohen sein.
Unter anderem der NS-Verbrecher Adolf Eichmann, Organisator des Holocausts, hatte sich dorthin abgesetzt. Er wurde dort 1960 vom israelischen Geheimdienst gefasst und nach Israel gebracht, wo ihm der Prozess gemacht und er schließlich gehängt wurde. Der Auschwitz-Arzt Josef Mengele versteckte sich ebenfalls in Argentinien, ehe er nach Paraguay und später nach Brasilien floh, wo er starb.