Wer ersetzt Jerome Powell, den scheidenden Chef des amerikanischen Notenbanksystems Fed? Die Antwort auf diese Frage könnte die globalen Finanzmärkte erschüttern.
In der ersten Hälfte dieses Jahres haben die Weltfinanzmärkte erstaunlich viele negative Nachrichten weggesteckt. Die Eskalation des russischen Kriegs in der Ukraine, den Bombenangriff auf den Iran, Donald Trumps täglich wechselnde Zoll-Drohungen, die wachsenden Probleme in China und mit China. In der zweiten Hälfte dieses Jahres rückt eine weitere Frage in den Mittelpunkt des Interesses, die leicht zum Unsicherheitsfaktor Nummer Eins auf den Finanzmärkten werden könnte: Wer ersetzt den amtierenden Präsidenten des amerikanischen Notenbanksystems, der Federal Reserve (Fed)?
Die Amtszeit von Fed-Chef Jerome Powell endet im Mai nächsten Jahres. Aber schon jetzt tut Donald Trump alles, um den von ihm selbst ernannten Notenbanker zu desavouieren. Niemals in der Geschichte der 1913 gegründeten Institution ist ein Fed-Chef von einem Präsidenten so beschimpft und öffentlich herabgewürdigt worden wie Powell. Trump spekulierte gleich mehrfach über den – rechtlich gar nicht zulässigen – Rauswurf des Fed-Chefs. Jetzt konzentriert sich Trump darauf, Powells Nachfolger möglichst frühzeitig zu nominieren, um den Fed-Chef zur „lahmen Ente“ zu machen. Gelingt es dem amerikanischen Präsidenten, einen willfährigen Kandidaten zu finden und möglicherweise sogar frühzeitig zu installieren, könnte ein Sturm über dem Markt für amerikanische Staatsanleihen aufziehen, der sich zu einer globalen Krise auswachsen könnte.
Schon unter Powell unter Druck
Die Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank ist der vielleicht wichtigste Einzelfaktor überhaupt für die Stabilität des Weltfinanzsystems. Die Bedeutung der Institution ergibt sich aus der Rolle des Dollars als vorherrschender globaler Reservewährung, die durch nichts zu ersetzen ist. Sollte der Eindruck entstehen, die Fed handele künftig als bloßes Ausführungsinstrument Trumps (zum Beispiel durch vorschnelle Senkung der Leitzinsen), könnte der Dollar ins Bodenlose fallen. Schon jetzt steht die amerikanische Währung massiv unter Druck. In den letzten Wochen hat sie im Verhältnis zum Euro signifikant an Wert verloren.
Glücklicherweise kann Trump die Fed nicht so einfach gefügig machen, wie es ihm mit seiner gesamten Administration, den beiden Kammern des Parlaments und teilweise auch dem Obersten Gericht in den ersten Monaten seiner Amtszeit gelungen ist. Powell tritt zwar im nächsten Mai als Präsident ab, bleibt aber bis Januar 2928 Mitglied des siebenköpfigen Boards of Governors. Allen wichtigen währungs- und geldpolitischen Entscheidungen trifft in den USA der Offenmarktausschuss FOMC, der sich aus zwölf Vertretern der regionalen Federal-Reserve-Banken zusammensetzt. Dort entscheidet die Mehrheit. Der Fed-Chef ist also, anders als viele danken und anders als Trump suggeriert, kein Diktator, der die Leitzinsen nach eigenem Gutdünken hoch oder heruntersetzen kann.
Es dürfte also in der Praxis nicht so leicht für Trump werden, die Unabhängigkeit der Fed auszuhöhlen und ihr seine Finanz- und Wirtschaftspolitik aufzuzwingen. Aber allein schon das Signal, das die Berufung eines willfährigen und nicht qualifizierten neuen Fed-Chefs in die Welt senden würde, könnte Panik in der Finanzwelt auslösen.