Schon die deutschen Kontrollen an der Grenze zu Polen haben für Verstimmung gesorgt. Ab Montag will auch das Nachbarland kontrollieren. In Industrie und Handwerk befürchtet man weitere Nachteile.
Die geplanten Grenzkontrollen Polens ab Montag verschärfen die Sorgen deutscher Unternehmen. Besonders betroffen sind Warenverkehr und Pendlerströme. Rund 30.000 Menschen aus Polen haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Sachsen, reichlich 13.000 von ihnen pendeln täglich zwischen ihrem Arbeitsort im Freistaat und ihrem Wohnort in Polen. Schon die deutschen Kontrollen habe die Situation erschwert.
Verzögerungen bei Schichtbeginn und Lieferungen
„Länger warten auf Lieferungen und Angestellte. Das ist mittlerweile Alltag für eine nicht geringe Zahl von Beschäftigten und Unternehmen, die entlang der Grenzen zu Polen wirtschaften“, sagte Frank Großmann, Chef der Industrie- und Handelskammer (IHK), Geschäftsstelle Görlitz und Zittau. Man habe Rückmeldungen erhalten, dass es bis zu drei Stunden Verschiebung beim Schichtbeginn gibt und teilweise bis zu acht Stunden Lieferverzögerung im grenzüberschreitenden Warenverkehr auftreten.
„Die Auswirkungen sind also erheblich und werden zu einem immer stärker belastenden Faktor, je länger die Kontrollen dauern. Schon jetzt fühlten sich polnische Arbeiter und Unternehmen zu Unrecht bestraft“, betonte Großmann. Wenn nun wie angekündigt auch noch Polen Kontrollen einführt, würde das nicht nur den Unternehmen wirtschaftlich schaden, sondern auch dem nachbarschaftlichen Verhältnis in den Grenzregionen.
Problem illegaler Migration nicht auf dem Rücken der Betriebe lösen
Manuela Salewski, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Dresdner Handwerkskammer, argumentiert so: „Der gemeinsame europäische Binnenmarkt und die frei passierbaren Grenzen im Schengen-Raum sind zentrale Errungenschaften der EU – gerade auch im Sinne des Handwerks im grenznahen Raum.“ Jeder Eingriff führe zu Abgrenzung und wirtschaftlicher Benachteiligung. Die irreguläre Migration müsse gesamteuropäisch gelöst werden und nicht auf dem Rücken der Betriebe im Grenzgebiet.
Salewski zufolge werden sich konkrete Folgen erst nach dem Start der Kontrollen zeigen. „Es ist aber zu befürchten, dass die weitere Beschneidung des Schengen-Raums starke Auswirkungen auf Grenzpendler, die regionale Wirtschaft und den Binnenmarkt haben. Sowohl für die Pendler als auch für die Unternehmen beginnt damit erneut eine Zeit der Planungsunsicherheit.“ Für das ostsächsische Handwerk sei es von zentraler Bedeutung, dass der Grenzverkehr im Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien reibungslos funktioniert. Man brauche nun eine zeitnahe Deeskalation der Lage. „Hier sehen wir auch die Bundesregierung in der Verantwortung.“
Polnische Arbeitnehmer könnten Jobs gänzlich aufgeben
Daniel Piche, Betreiber des Hotels Kristall in Weißwasser, beschäftigt acht polnische Mitarbeiterinnen – etwa 40 Prozent des Personals. Sie arbeiten im Zimmerservice und in der Küche. Bislang hatte sich die Einschränkungen für den Hotelbetrieb in Grenzen gehalten. Es sei nur vereinzelt zu Kontrollen der Beschäftigten gekommen, allerdings ohne nennenswerte Zeitverluste beim Arbeitsweg.
Piche hofft, dass es auch ab Montag so bleib. Vor allem wäre es für uns problematisch, wenn es auf Dauer zu solchen Einschränkungen kommt, dass Mitarbeiterinnen dadurch gezwungen wären, uns zu verlassen – das wäre in der aktuellen Personalsituation eine Katastrophe.“
Gewerkschaften fordern ein Ende der Grenzkontrollen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellt klar: „Als Gewerkschaften sehen wir die stationären Grenzkontrollen schon lange kritisch. Schon die einseitigen deutschen Grenzkontrollen wurden auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen“, erklärte die sächsischde DGB-Vize Daniela Kolbe. Grenzgänger aus Polen und Tschechien, die täglich zur Arbeit nach Sachsen pendeln, würden Zeit im Stau verbringen.
„Lkw-Fahrer, die die wichtigen Lieferketten in der EU und im Grenzraum aufrechterhalten, stehen an der Grenze und haben jede Planungssicherheit verloren. Polizeibeamte häufen riesige Überstundenberge an und werden anderswo dringender gebraucht. Dass jetzt Polen ebenfalls Grenzkontrollen einführen wird, war absehbar und wird die Situation der Beschäftigten in der Grenzregion weiter verschlechtern“, ist sich Kolbe sicher. Die Kontrollen müssten ein Ende haben.