Stärkere Rechte für leibliche Väter und ein Fokus auf das Kindeswohl: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, das die Anfechtung von Vaterschaften in Deutschland neu regeln soll. Damit reagiert die Bundesregierung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherige Regelung für grundrechtswidrig erachtet hatte. Durch die Neuregelungen sollen das Lebensalter des Kindes zum „leitenden Faktor“ für Familiengerichte werden und die Grundrechte aller Beteiligten stärker Berücksichtigung finden.
Das neue Gesetz will zum einen mit einer so genannten Anerkennungssperre einen Wettlauf um die Vaterschaft eines Kindes verhindern: Ein Mann soll künftig die Vaterschaft für ein Kind nicht mehr wirksam anerkennen können, solange ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft eines anderen Mannes läuft.
Bei der Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater soll es künftig mehr auf das Alter des Kindes und die Beziehung zu dessen rechtlichem Vater ankommen. Ist das Kind volljährig, soll die Anfechtung des leiblichen Vaters erfolgreich sein, wenn das Kind nicht widerspricht.
Bei einem minderjährigen Kind soll es zunächst darauf ankommen, ob es eine so genannte sozial-familiäre Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat. Besteht diese Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater nicht, soll die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater Erfolg haben – das ist auch bisher die Regel.
Wenn diese sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater allerdings besteht, kann eine Anfechtung künftig auch erfolgreich sein. Dafür muss allerdings eine weitere Bedingung erfüllt sein. Dies kann etwa eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und leiblichem Vater sein. Das soll auch dann gelten, wenn diese ohne Verschulden des leiblichen Vaters nicht mehr besteht oder wenn dieser sich ernsthaft und ohne sein Verschulden erfolglos um eine solche Beziehung zu seinem Kind bemüht hat.
Familiengerichte sollen dennoch auch in Einzelfällen Anfechtungen von leiblichen Vätern zurückweisen können, wenn eine der genannten Bedingungen zutrifft – nämlich dann, wenn „der Fortbestand der rechtlichen Vaterschaft für das Wohl des Kindes erforderlich ist“.
Das neue Gesetz sieht auch eine „zweite Chance“ für den leiblichen Vater bei einer Anfechtung der Vaterschaft vor – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt. Sind zwei Jahre nach einer gescheiterten Anfechtung vergangen, kann der leibliche Vater erneut ein solches Verfahren anstrengen.
Voraussetzung dafür ist, dass er in der Zwischenzeit eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind aufgebaut hat oder der rechtliche Vater diese Beziehung zu seinem Kind nicht mehr hat. Vor einer Wiederaufnahme müssen die Behörden aber prüfen, ob dadurch das Kindeswohl nicht beeinträchtigt wird.
Außerdem soll durch das neue Gesetz ein aus Sicht der Bundesregierung unnötiger Formalismus wegfallen – nämlich bei der Anerkennung von Vaterschaften, wenn alle Beteiligten zustimmen. Ein leiblicher Vater soll künftig unbürokratisch auch rechtlicher Vater seines Kindes werden können, wenn er die Vaterschaft anerkennt und neben der Mutter und dem Kind auch der bisherige rechtliche Vater zustimmt. Dafür war bislang formal eine Anfechtung nötig.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) machte die Notwendigkeit der Gesetzesänderung deutlich: „Die gesetzlichen Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung müssen angepasst werden. In manchen Fällen verletzten sie Grundrechte des leiblichen Vaters.“ Der Gesetzentwurf solle nun „den Verfassungsverstoß beheben“. Aus ihrer Sicht sind die vorgesehenen Änderungen eine „ausgewogene Lösung“. Hubig betonte: „Die Interessen aller Betroffenen müssen Berücksichtigung finden. Das Kindeswohl steht dabei im Zentrum.“
Wenn ein Kind eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat, solle das bei der Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater auch künftig ins Gewicht fallen, erklärte Hubig. „Gleichzeitig eröffnen wir leiblichen Vätern neue Möglichkeiten, mehr Verantwortung zu übernehmen für ihre Kinder. Wir gehen damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Abstammungsrecht.“ Nach dem Kabinettsbeschluss befasst sich der Bundestag mit dem Gesetz.










