Thomas Müller hat in Vancouver ein neues Leben begonnen. Als Entwicklungshelfer in Sachen Fußball – und als Tourismus-Botschafter für seine neue Heimat.
Thomas Müller lebt zwar erst seit knapp drei Monaten in Vancouver, doch seiner neuen Heimat hat er sich schon erkennbar anverwandelt. Müller lässt sich derzeit einen Holzfäller-Bart stehen. Damit die Barthaare landestypisch sprießen und gedeihen, hat er sich von seinen Mitspielern bei den Vancouver Whitecaps einen Barber empfehlen lassen, der den Wuchs beaufsichtigt und hier und da korrigierend eingreift.
Die romantische Geschichte vom Bayer, der auszog, um in Nordamerika sein Glück zu suchen, wäre perfekt, wenn Müller auch noch Waldarbeiten in karierten Flanellhemden verrichten würde. Doch dazu hat er keine Muße. Müller ist nach Vancouver gereist, um den Fachkräftemangel einer darbenden Branche zu beheben. Junge Männer, die einen Ahornbaum umlegen können, hat Kanada zur Genüge. Aber kaum welche, die mit Geschick einen Ball am Fuß führen.
Thomas Müller gibt den Außenminister der Mannschaft
Dass Müller, geboren 1989 in Weilheim, Oberbayern, und groß geworden beim FC Bayern München, hier eine besondere Gabe besitzt, steht nicht nur für die Whitecaps außer Zweifel, sondern auch für die sonst so kritischen Einwanderungsbehörden. Müller ist mit der Referenz von 13 deutschen Meistertiteln, drei Champions League-Siegen und einem WM-Triumph nach British Columbia an die kanadische Westküste gekommen. Nach rund zwölf Wochen seines Wirkens lässt sich sagen: Müller macht einen hervorragenden Job als Entwicklungshelfer in Sachen Fußball.
In seinen acht Spielen hat er acht Tore für die Whitecaps geschossen; das jüngste am Wochenende, ein verwandelter Elfmeter beim 3:0 gegen den FC Dallas zum Auftakt der Play-offs in der Major League Soccer (MSL). Zudem feierte Müller Anfang Oktober mit seinem Team den Gewinn der Canadian Championship – es war Müllers 35. Titel. Er ist damit deutscher Rekordhalter und hat Toni Kroos überholt, der insgesamt 34 Pokale und Meisterschalen sammelte in seiner Karriere.
Thomas Müller wäre aber nicht Thomas Müller, wenn er es in Vancouver nur beim Vorbereiten und Schießen von Toren beließe. Nein, Müller gibt auch den Außenminister des Teams. Er versteht sich auch als Repräsentant einer Stadt, deren Attraktivität es öffentlich zu preisen gilt. Als Werbetrommel nutzt Müller dafür gern die Social-Media-Plattform Instagram. Man sieht ihn dort vor der Skyline Vancouvers posierend oder in Daunenjacke am Hafen stehend. Dazu schreibt Müller: „Vancouver im Herbst. Es ist immer wieder cool, zu sehen, wie die Wasserflugzeuge am Coal Harbour starten, und es ist cool, durch diese schöne Stadt zu gehen.“
Seit Müller da ist, kommen mehr Zuschauer ins Stadion
In Vancouver, einer Metropole mit 620.000 Einwohnern, sieht man es mit Begeisterung, dass Müller sich auch ums Stadtmarketing kümmert. Vancouver besitzt zwar eine stolze Sportgeschichte – 2010 war man Gastgeber der Olympischen Winterspiele, zudem ist man Heimstatt des legendären Eishockeyteams Vancouver Canucks – aber ausgerechnet im Fußball, der populärsten Sportart der Welt, sah man bislang blass aus.
Das ändert sich nun. Müller lenkt viel Aufmerksamkeit auf die Whitecaps, nicht nur virtuell, durch Posts an seine fast 15 Millionen Follower, sondern auch analog. Seit Müller in Vancouver spielt, ist der Zuschauerschnitt bei den Heimspielen um 30 Prozent gestiegen, auf 26.000 Besucherinnen und Besucher pro Partie.
Müller versteht es, im Gespräch zu bleiben, und beherrscht das Spiel mit den Medien meisterhaft. Das war schon in Deutschland so. Müller gelang es, seinen Abschied aus der Bundesliga über Monate zu zelebrieren. Erst kam bei Amazon eine Dokumentation heraus („Thomas Müller – Einer wie keiner“), dann wurde sein letztes Heimspiel gefeiert, danach sein letztes Auswärtsspiel, gefolgt vom letzten Spiel für den FC Bayern bei der Klub-WM und so weiter. 2025 war ein Jahr der nicht enden wollenden Müller-Festspiele in Deutschland.
Die Vancouver Whitecaps müssen also die Stunde nicht fürchten, wenn Müller, 36 Jahre mittlerweile, sie verlassen wird. An diesem Tag wird der Weltfußball nach Vancouver schauen, das ist sicher. Thomas Müller weiß, wie man sich selbst eine große Bühne baut.









