In NRW wagt die SPD nach einem schwindelerregenden Abwärtsstrudel einen außergewöhnlichen Befreiungsschlag. Frustrierte Wähler sollen alles raus lassen: verbal und auch mal mit dem Hammer.
Nach schlechten Wahlergebnissen wagt die SPD in Nordrhein-Westfalen eine provokative Auseinandersetzung mit politikverdrossenen Bürgern und Ex-Wählern. Im November und Dezember gehen ihre Funktionäre in zehn Städten und Gemeinden auf Zuhör-Tour, wo sie in den vergangenen 20 Jahren am meisten Zuspruch verloren haben – darunter Gelsenkirchen, Dortmund, Duisburg, Herne, Bergkamen und Bergheim. Dabei will sie ungewöhnlich offensive Wege erproben, wie die Landesparteispitze in Düsseldorf erläuterte:
Hau-den-Lukas: An dem Jahrmarkt-Klassiker sollen Wähler, die sauer auf die SPD sind, auch mal nonverbal ihren Frust loswerden. „Ein bisschen Dampf ablassen, muss manchmal sein“, erläuterte Landesparteichefin Sarah Philipp.In einer Wahlkabine können Bürger Nachrichten an die Sozialdemokraten hinterlassen. „Wir halten das aus, wenn uns jemand den Kopf wäscht“, meinte Generalsekretär Frederick Cordes.Das geht auch digital unter der frisch geschalteten Kampagne: NRWSPD. Wir haben verstanden. „Hier kannst Du uns alles sagen, was Du uns dazu schon immer sagen wolltest“, heißt es über einem freien Kästchen mit der Aufforderung: „Klartext! Sag uns was Sache ist.“
SPD lädt ein: „Verpass uns einen Satz heiße Ohren“
Bei einer Landesparteiratssitzung sei die Kampagne mit 100 Prozent Zustimmung beschlossen worden, sagte Cordes. „Geig‘ uns Deine Meinung!“ oder auch die Aufforderung „Verpass uns einen Satz heiße Ohren bei unserer Zuhör-Tour“ sei eine ernst gemeinte Konsequenz aus dem Abwärtstrend der Partei. Die Kampagne werde sowohl auf Plakaten in den Fußgängerzonen als auch mit Video-Clips in den sozialen Medien zu sehen sein (O-Ton: „Johannes Rau hätte uns den Hals umgedreht. Zu Recht.“)
22 Prozent landesweites Ergebnis bei der jüngsten Kommunalwahl in NRW könnten die SPD nicht zufriedenstellen, sagte Landesparteichefin Philipp. Zu oft hätten Bürger das Gefühl gehabt, sie würden mit ihren Sorgen – etwa um Sicherheit und Sauberkeit – nicht ernst genommen.
„Schlimmer als verlieren? So tun, als wäre nichts geschehen“, heißt es auf einem der neuen Kampagnen-Plakate. Jetzt müssten die Sozialdemokraten „hingehen, wo es eins auf die Nase gibt verbal“, kündigte Philipp an. „Wir wissen, das wird nicht unbedingt ein schöner Abend, wo uns alle zujubeln“.









