Das Fahndungsfoto der vermissten Rebecca fällt auf. Aber hatte es was mit ihrem tatsächlichen Aussehen zu tun? Warum die Polizei ausgerechnet dieses Bild veröffentlicht hat.
Am 21. Februar 2016 war die Hoffnung noch da. Drei Tage zuvor war die damals 15-jährige Rebecca als vermisst gemeldet worden. Sie war am Morgen des 18. Februar spurlos verschwunden, nach einem Übernachtungsbesuch im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers in Berlin-Britz. Bis heute wurde das Mädchen nicht gefunden.
Durch die Veröffentlichung zweier Fotos der Jugendlichen an jenem 21. Februar und zwei Tage später versprach sich die Polizei Hinweise aus der Bevölkerung: Hat irgendjemand irgendwo Rebecca gesehen? Mehrere Suchaktionen von Polizei und Privatpersonen in Berlin waren zu diesem Zeitpunkt schon ohne Erfolg geblieben.
Foto von vermisster Rebecca sorgt seit 2019 für Diskussionen
Eines der veröffentlichten Bilder zeigt Rebecca im Halbdunkel, nach unten blickend, mit einer Rose vor ihrem Körper. Das Foto ist stark verpixelt – und spielte bei der Suche und in der Berichterstattung über den Fall so gut wie keine Rolle.
Das zweite von der Polizei zur Verfügung gestellte Foto von Rebecca: dunkel und in geringer Auflösung
© Polizei Berlin
Bundesweit bekannt wurde ein zweites Foto des Mädchens. Das Bild von Rebecca zeigt eine Jugendliche mit attraktivem Äußeren: geschminkt, mit vollen Lippen und großen Augen, die Haare sorgfältig gestylt. Und ein Weichzeichner-Filter liegt über dem Foto, so wie es auf Plattformen wie Instagram üblich ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) beschrieb die Aufnahme als die einer „Fünfzehnjährigen, die aussieht wie die Traumversion einer jungen Brigitte Bardot in der Rolle von Lolita“.
Das Foto wurde in den Wochen und Jahren nach dem Verschwinden Rebeccas tausendfach in den Medien veröffentlicht und in den sozialen Netzwerken geteilt. Es dürfte inzwischen nur wenige Menschen im Land geben, die das Bild noch nicht gesehen haben. Und doch bleibt Rebecca bis heute verschwunden.
Wie die Polizei in Vermisstenfällen vorgeht
Damals wie jetzt gibt es Kritik an dem mittlerweile ikonisch gewordenen Fahndungsfoto: Was hat dieses Bild mit dem realen Aussehen von Rebecca zu tun? Würde man sie anhand dieses Fotos bei einer Begegnung erkennen? Warum veröffentlichen Medien ausgerechnet dieses Bild für die Suche nach dem Mädchen?
Neben vielen anderen Umständen des mysteriösen Falls hat sicher auch das Foto dazu beigetragen, dass dem Verschwinden Rebeccas eine solch riesige Aufmerksamkeit zuteilwurde. Als „Missing white woman syndrome“ ist das Phänomen bekannt, dass vor allem Vermisstenfälle von jungen, weißen Frauen oder Mädchen aus der Mittelschicht intensiv medial begleitet werden.
Doch hat sich die Polizei bei der Auswahl des Fotos davon leiten lassen? Warum nutzen Medien nicht einfach ein anderes Bild der Vermissten? In Social-Media-Profilen aus dem Umfeld von Rebecca fanden sich unzählige andere Aufnahmen von ihr: mal ebenso gestylt, mal natürlicher. Auf einigen Bildern wirkt sie jünger, auf anderen wiederum hat sie eine völlig andere Frisur.
Doch Medien wie der stern können nicht einfach beliebig im Internet zusammengesuchte Fotos von vermissten Personen veröffentlichen. Hier spielen unter anderem Urheberrechtsfragen eine Rolle.
Für die Veröffentlichung ausdrücklich freigegeben sind zunächst ausschließlich die von der Polizei zur Fahndung herausgegebenen Bilder. Die Beamten sind dabei auf die Mithilfe der Angehörigen angewiesen – aus einem einfachen Grund: Die Ermittler kennen die gesuchte Person in der Regel nicht, wissen also auch nicht, auf welchem Bild sie am besten zu erkennen ist.
„Wir bitten daher die Angehörigen, uns ein geeignetes Foto zur Verfügung zu stellen. Wir blättern in solchen Fällen also nicht das Familienalbum durch, sondern müssen uns auf die Familie verlassen“, sagte Dirk Peglow, heute Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, schon 2019 im Gespräch mit dem stern über das Vorgehen seiner Kollegen. „Das Foto soll möglichst aktuell sein, also das derzeitige Erscheinungsbild der Gesuchten widerspiegeln. Und das kann nur die Familie beurteilen. Im besten Fall trägt die gesuchte Person auf dem Bild auch dieselbe Kleidung wie beim Verschwinden.“
So beschrieb es auch eine Sprecherin des Berliner Landeskriminalamtes in der „Welt“. Die Angehörigen von Vermissten seien aufgefordert, Bilder zur Verfügung zu stellen, „auf denen man die Kinder auch erkennt“.
Rund ein Jahr nach dem Verschwinden ihrer Tochter äußerte sich Rebeccas Mutter zu der Frage, warum sie ausgerechnet dieses Bild gewählt habe. „Wir hatten kurz vorher ihre Haare abgeschnitten, und da hatten wir kein aktuelles Foto, nur Polaroids“, so Brigitte R. in einem Interview mit RTL (die komplette Doku „Rebecca – was geschah mit unserer Tochter?“ sehen Sie hier). Das Bild sei der Polizei zu klein gewesen. Daraufhin habe eine Beamtin eine Aufnahme vom Instagram-Account Rebeccas vorgeschlagen. „Und dann kam dieses Bild, wir kannten das selber nicht, und da dachte ich: Das ist ja eigentlich nicht mein Kind.“ Die Pressestelle der Berliner Polizei erklärte in der SZ, man habe das Foto gemeinsam mit der Familie ausgewählt.
Ermittler gehen von Tötungsdelikt aus
Die Vermutung einiger Internetnutzer, dass sich die Polizei bei einem Fahndungsbild auch durch Attraktivitätsgesichtspunkte leiten lässt, um so möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, schloss Kripo-Mann Peglow aus: „Polizeibeamte werden sich darüber keine Gedanken machen. Es geht allein darum, dass die gesuchte Person möglichst gut zu erkennen ist.“
Bei der Zusammenarbeit mit den Familien sei viel Fingerspitzengefühl der Beamten nötig, so Peglow, der selbst schon in zahlreichen Vermisstenfällen ermittelt hat. „Die Betroffenen leiden in solchen Situationen sehr unter dem Eindruck des Geschehens.“
Jetzt, im Oktober 2025, ist wieder Bewegung in die Ermittlungen rund um das Verschwinden Rebeccas gekommen. Die Polizei hat in Brandenburg mehrere Grundstücke durchsucht. Alle stehen mittelbar in Verbindung zu Florian R., dem Schwager der Vermissten – und dem einzigen Verdächtigen in dem Fall (weshalb der 33-Jährige ins Visier der Ermittler geriet, lesen Sie hier).
Denn – und das ist die bittere Wahrheit in dem Fall – ob es authentisch ist oder nicht: Das mehr als sechs Jahre alte Foto Rebeccas spielt für die Ermittler der Berliner Mordkommission kaum noch eine Rolle. Sie haben schon lange klargemacht, dass sie ohnehin nicht davon ausgehen, dass das Mädchen das Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers noch lebend verlassen hat. Sie suchen nach Rebeccas Leiche. Seit mehr als sechs Jahren.
Transparenzhinweis: Der stern ist Teil von RTL Deutschland.
Quellen: Polizei Berlin, „Süddeutsche Zeitung“, „Welt“, RTL, Nachrichtenagentur DPA










