Für Geflügelhalter ist die Vogelgrippe an sich nichts Ungewöhnliches mehr. Doch in diesem Herbst steigen die Infektionszahlen schnell – und damit die Sorge. In Vorpommern gibt es einen neuen Fall.
Mit der schnellen Ausbreitung der Vogelgrippe in Deutschland wächst die Sorge vor wirtschaftlichen Schäden. Die Tierseuche hat sich nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) mittlerweile fast über ganz Deutschland ausgedehnt. Nachdem zuletzt auch aus Bayern und Baden-Württemberg Infektionsfälle gemeldet wurden, seien inzwischen kommerzielle Geflügelhalter in acht Bundesländern betroffen. An einigen Orten ordneten die Behörden eine Stallpflicht an und untersagten Geflügelmärkte.
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) rief zu verstärkten Schutzmaßnahmen auf. „Oberste Priorität ist hier, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, Tiere zu schützen und Schäden für unsere Land- und Lebensmittelwirtschaft abzuwenden“, sagte der CSU-Politiker in Berlin. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft warnte: „Wenn wir nicht handeln, riskieren wir nicht nur Tiergesundheit, sondern auch die Versorgungssicherheit.“
Puten-Mastbetrieb in Vorpommern muss 25.000 Tiere keulen
Unterdessen greift die Vogelgrippe in den Geflügelhaltungen Mecklenburg-Vorpommerns weiter um sich. Wie ein Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald sagte, hat die Tierseuche einen Puten-Mastbetrieb in Heinrichswalde bei Torgelow erfasst. Analysen im Friedrich-Loeffler-Institut hätten die Infektion mit dem hochansteckenden Geflügelpest-Virus vom Typ H5N1 bestätigt. In der Folge müssten etwa 25.000 Puten getötet und entsorgt werden.
Der Mastbetrieb ist nicht weit entfernt von der Legehennen-Anlage in Rothemühl, in der ebenfalls die Geflügelpest ausgebrochen war. Dort mussten zu Wochenbeginn 93.000 Hennen getötet werden. Das war in der aktuellen Vogelgrippe-Welle die bundesweit bislang größte Anzahl vorsorglich getöteter Tiere. Parallel waren in der Gemeinde Poseritz auf Rügen etwa 55.000 Legehennen gekeult worden.
Laut Kreisverwaltung wurden die um Rothemühl bereits errichteten Schutzzonen räumlich erweitert, so dass auch Bereiche um Heinrichswalde erfasst sind. Dort gelten besondere Beschränkungen. Damit soll eine Ausdehnung des Infektionsgeschehens möglichst eingedämmt werden. Geflügelhalter mit mehr als 5.000 Tieren sind aufgefordert, ihre Tiere in geschlossenen Ställen oder unter Abdeckungen unterzubringen, um den Eintrag und eine Weiterverbreitung des Virus möglichst zu vermeiden.
Die Lage: zahlreiche Ausbrüche
Die Geflügelpest breitet sich seit Wochen aus. „Aktuell gibt es zahlreiche Ausbrüche, sowohl bei Wildgeflügeln als auch bei Geflügelhaltungen. Dies ist eigentlich für die jetzige Jahreszeit nicht ungewöhnlich“, sagte Rainer. „In den vergangenen 14 Tagen gab es aber einen sehr schnellen Anstieg der Infektionen. Das zeigt auch, wie ernst die Lage ist und wie wichtig gemeinsames und auch koordiniertes Handeln hier ist.“ Das FLI in Greifswald hat die Risikoeinschätzung inzwischen auf hoch angehoben.
Zwar ist die Tierseuche in Deutschland inzwischen ganzjährig verbreitet, doch mit dem Vogelzug im Herbst gewinnt das Infektionsgeschehen deutlich an Fahrt. Unter Kranichen hat die Ausbreitung der Vogelgrippe nach Einschätzung FLI ein in Deutschland bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen.
Im Linumer Teichgebiet bei Berlin, einem der größten Kranich-Rastplätze Deutschlands, wurden schon mehr als 1.000 tote Kraniche geborgen. Zuletzt kamen erste Bestätigungen von Vogelgrippe-Fällen der aktuellen Welle aus Hessen und Berlin. Inzwischen wurden auch Großbetriebe mit Legehennen und Mastputen von dem Virus erfasst. Für den Monat Oktober zählt das FLI bislang mehr als 21 Ausbrüche in Nutzgeflügel-Haltungen.
Die Gegenmaßnahmen: Keulungen und Entschädigungen
Landwirtschaftsminister Rainer hat sich am Donnerstag mit Ministern der Bundesländer ausgetauscht; sie sind für die Seuchenbekämpfung zuständig. Das Bundesministerium hat zudem bei der EU beantragt, die Obergrenze von Entschädigungszahlungen für Tiere, die getötet werden müssen, von 50 Euro auf bis zu 110 Euro hochzusetzen. In der Regel ist der Marktwert Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse.
Die Seuche ist eine Gefahr für Geflügelhalter. Bei einem Fall auf einem Hof muss der Bestand gekeult werden, das heißt, dass alle Tiere getötet werden. Das FLI schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen
Zu den Gegenmaßnahmen zählen Schutzzonen von mehreren Kilometern um die betroffenen Betriebe sowie größere Überwachungszonen. Das FLI listet derzeit bundesweit 14 solcher Sperrzonen – am Samstag kommt eine Zone im Kreis Kleve am Niederrhein hinzu. Dort gilt eine Stallpflicht, um das Geflügel von wildlebenden Vögeln und Nagetieren zu isolieren. Futter oder das Fleisch geschlachteter Tiere, das den Virus enthalten könnte, darf nicht aus der Zone herausgebracht werden. Die Betriebe müssen an den Zu- und Abfahrtswegen täglich Desinfektionsmaßnahmen durchführen
Die Branche setzt auf umfassende Vorsichtsmaßnahmen, betonte der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft. „Die Länder müssen die Stallpflicht für gefährdete Regionen prüfen – besonders für Freilandhaltungen“. Für Gänsehalter müsse es praktikable Ausnahmen geben.
Die Folgen für die Betriebe
„Viele von uns sind schwer verunsichert“, sagte Georg Heitlinger, Landwirt und Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverbands Baden-Württemberg. Die Halter seien zwar die fast jährliche Wiederkehr der Vogelgrippe gewohnt. „Aber dieses Mal ist es ein wirklich sehr aggressiver Virus.“ Solch ein Fall könne schnell existenzbedrohend für Halter werden, vor allem bei Legehennen, weil sie länger im Stall stünden als Masthühnchen.
Nutztierhalter müssen in die Tierseuchenkasse ihres Bundeslandes einzahlen, die in solchen Fällen einspringt. Nach dem Tierseuchengesetz sind Entschädigungen vor allem für Tiere zu leisten, die auf behördliche Anordnung getötet wurden. Die Einzelbestimmungen sind je nach Land unterschiedlich. Erstattet wird der jeweilige Zeitwert der getöteten Tiere, unter Umständen auch zusätzliche Hygienemaßnahmen. Keine Entschädigung gibt es aber für Folgeschäden wie etwa Strafen für nicht erfüllte Lieferverträge.










