Tierseuchen: Geflügelhalter: Diese Vogelgrippe ist das Los der Branche

Die Vogelgrippe ist zurück – und sie ist diesmal besonders aggressiv. Geflügelhalter fürchten um ihre Ställe und stellen sich vor allem eine Frage: War’s das schon oder wird es weitere Fälle geben?

Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe in einem Geflügelbestand nördlich von Ulm nimmt die Branche nach Angaben ihres Landesverbands voller Sorgen die Bestände in den Blick. „Viele von uns sind schwer verunsichert“, sagte Georg Heitlinger, Landwirt und Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverbands Baden-Württemberg. Die Halter seien zwar die fast jährliche Wiederkehr der Vogelgrippe gewohnt. „Aber dieses Mal ist es ein wirklich sehr aggressiver Virus.“

In dem bislang einzigen aktuell betroffenen Bestand in Baden-Württemberg waren nach der Bestätigung des Verdachtsfalls in Öllingen (Alb-Donau-Kreis) rund 15 000 Tiere getötet worden. In mehreren anderen Bundesländern sind weitere Geflügelbetriebe betroffen. Unter Kranichen hat die Ausbreitung der Vogelgrippe nach FLI-Einschätzung unterdessen ein in Deutschland bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen.

Fall kann existenzbedrohend sein

„Wir sind daran gewöhnt“, sagte Heitlinger. „Die Vogelgrippe ist das Los der Branche.“ Bislang habe es nur einen Betrieb getroffen. „Solch ein Fall kann existenzbedrohend sein für den Halter, vor allem bei Legehennen, die länger im Stall stehen als Masthühnchen“, sagt Heitlinger. „Das ist dann bei diesen Seuchen immer ein Hoffen und Beten, dass man nicht betroffen ist.“

Nach Einschätzung des Landwirts aus Eppingen ist es keineswegs sicher, dass die Vogelgrippe sich in Baden-Württemberg ausweiten wird. „Ich würde von einer 50:50-Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass es noch einen weiteren Betrieb trifft.“ Die stürmische Wetterlage halte derzeit viele Kraniche vom Vogelzug ab. Sie pausierten auf ihrem Weg in den Süden länger im Südwesten und trügen so eventuell das Virus ein. 

Jüngster Ausbruch unabhängig von Kranichen

Stefan Bosch, der NABU-Fachbeauftragte für Vogelschutz, bezweifelt hingegen einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch im Alb-Donau-Kreis und den infizierten Kranichen. Die Zugvögel folgten zwei klassischen Routen in ihre Überwinterungsgebiete in Südwesteuropa und Nordafrika, sagte er. Baden-Württemberg liege auf einer Nebenstrecke. „Sie fliegen meistens nur über das Land und pausieren nicht hier, sondern auf einem Platz kurz hinter der französischen Grenze“, sagte Bosch auf Anfrage. 

Dennoch hält er auch Fälle von erkrankten Kranichen im Südwesten für möglich: „Noch gibt es hier keinen Vogelgrippe-Nachweis bei Kranichen“, sagt Bosch. „Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, dass bald erste Fälle gemeldet werden.“ 

Laut FLI handelt es sich bei den Infektionen um das hochansteckende Influenzavirus (HPAIV) des Subtyps H5N1 – umgangssprachlich als Vogelgrippevirus bekannt. Betroffen seien inzwischen nicht nur Kraniche, sondern auch andere wilde Wasservögel wie Enten und Gänse. Doch auch Nutzgeflügel wie Legehennen, Mastgänse oder Puten könne das Virus befallen.

Folgen für kommerzielle Tierhalter 

Im Vergleich zu anderen Fällen in Deutschland hält sich das Ausmaß der Vogelgrippe in Baden-Württemberg noch in Grenzen. Für den Monat Oktober hat das FLI bis Donnerstagabend bereits mehr als 15 Ausbrüche in Nutzgeflügel-Haltungen registriert. 

Besonders folgenschwer waren zwei Fälle in Mecklenburg-Vorpommern. Dort mussten nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums in zwei Großbetrieben mit Legehennen knapp 150.000 Tiere vorsorglich getötet werden.  

Tierseuchenkasse übernimmt Kosten

Die derzeit hohe Viruslast bei Wildvögeln erhöhten das Risiko eines Eintrags in Geflügelbestände bundesweit erheblich, heißt es vom FLI. Das Institut schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Die Gesamtzahl der seit Jahresbeginn wegen Vogelgrippe getöteten Nutztiere liege jedoch höher, hieß es. 

Den finanziellen Schaden können Halter bei der Tierseuchenkasse geltend machen.