Virginia Giuffre, das prominenteste Opfer der Epstein-Affäre, nahm sich im Frühjahr dieses Jahres das Leben. Teile ihres nun erschienenen Buches lesen sich wie ein Abschiedsbrief.
Am 25. April nahm sich Virginia Giuffre auf ihrer Ranch nördlich von Perth das Leben. Doch viele Fragen bleiben offen, und neue Spekulationen werden laut nach der posthumen Veröffentlichung ihres Buches „Nobody’s Girl“.
Schon Wochen vor ihrem Tod schien Giuffre zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Am 30. März veröffentlichte sie ein Foto auf Instagram, das sie verletzt und blutverschmiert zeigte, mit der Botschaft: „Dieses Jahr hat als das schlimmste aller neuen Jahre begonnen, aber ich will niemanden mit den Details langweilen. Dennoch finde ich es wichtig zu erwähnen, dass – wenn ein Schulbusfahrer mit 110 km/h auf dich zurast, während du gerade abbiegst – es egal ist, woraus dein Auto besteht, es könnte genauso gut eine Blechdose sein. Ich habe ein Nierenversagen erlitten, man hat mir vier Tage zu leben gegeben und überstellt mich nun in ein spezialisiertes urologisches Krankenhaus. Ich bin bereit zu gehen – nur nicht, bevor ich meine Kinder ein letztes Mal sehe. (…) Danke an euch alle, ihr wunderbaren Menschen, dafür, dass ihr Teil meines Lebens wart. Gott segne euch alle.“
Im Netz herrschte Verwirrung, denn laut Polizei in Westaustralien hatte es zwar einen Unfall zwischen einem Auto und einem Bus gegeben, jedoch ohne schwer verletzte Person. Giuffre entließ sich nach einer kurzen Behandlung selbst aus der Klinik. Drei Wochen später war sie tot.
Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie bereits viele Jahre an ihrer Autobiografie gearbeitet. In einer E-Mail, die sie am 1. April an Co-Autorin Amy Wallace und ihre Sprecherin Dini von Mueffling geschickt hatte, schrieb sie: „Im Falle meines Todes möchte ich sicherstellen, dass ‚Nobody’s Girl‘ dennoch veröffentlicht wird. Ich glaube, dass es das Potenzial hat, viele Leben zu beeinflussen und notwendige Diskussionen über schwere Ungerechtigkeiten zu fördern.“
Virginia Giuffre litt unter „gesundheitlichen Problemen“
Ihre Co-Autorin schildert, Giuffre habe in den Monaten zuvor „gesundheitliche Probleme“ gehabt, und ihre Ehe sei zu einer „hässlichen Schlammschlacht“ geworden.
Nach außen hin zeigte sich Giuffre kämpferisch, doch in ihren letzten Wochen wirkte sie zunehmend erschöpft. Ihr Bruder Sky Roberts sagte der „Times„, sie habe zwar noch versucht, Hoffnung zu bewahren, doch der Schmerz über die Trennung von ihren Kindern sei zu groß gewesen. Ihr letzter öffentlicher Beitrag, das Foto nach dem Unfall, war nach Einschätzung der Familie ein Hilferuf.
In den Tagen vor ihrem Tod war Roberts an ihrer Seite, um seine Schwester zu unterstützen. Die beiden verbrachten laut seiner Schilderung eine unbeschwerte Zeit, lachten, gingen spazieren. Doch der Abend des 25. April endete tragisch.
„Wir hatten schon immer diese besondere, fast zwillingshafte Verbindung, und ich spürte einfach, dass etwas nicht stimmte“, sagt Roberts. Er berichtet, dass er gegen 20 Uhr zum Haus zurückgefahren sei und an Virginias Tür geklopft habe. Als sie nicht geantwortet habe, habe er versucht, die Tür zu öffnen, doch sie sei verschlossen gewesen.
Er habe sie aufgebrochen und seine Schwester bewusstlos vorgefunden. Roberts habe 45 Minuten lang versucht, sie wiederzubeleben, bevor die Sanitäter eingetroffen seien und ihren Tod festgestellt hätten. Über die genaue Art ihres Todes wollte Giuffres Bruder keine weiteren Angaben machen.
Die deutsche Ausgabe von „Nobody’s Gril“ erscheint am 18. November bei Yes Publishing und ist ab dem 23 Oktober bereits als E-Book auf Deutsch zu lesen
© Yes Publishing
Giuffres Sprecherin, Dini von Mueffling, bestätigte später, dass Virginia in den Wochen vor ihrem Tod offen über Suizid gesprochen habe: „Sie war ruhig, fast gefasst. Sie sagte, der Schmerz sei einfach zu groß. Sie wollte nicht mehr kämpfen.“ Auch Giuffres letzter Eintrag in ihrem Tagebuch, an ihre Kinder gerichtet, klingt wie ein Abschied: „Jeden Tag, an dem ich eure Gesichter nicht sehe, wird das Licht ein wenig schwächer. Es wird alles gut – ihr habt einen Regenbogen über eurem Kopf, Engel an eurer Seite und Gott in eurem Herzen.“
Ihr Ehemann organisierte anschließend eine kleine Beerdigung in Perth, zu der ihre Familie nicht eingeladen wurde.
Auch ihre Ehe schien der blanke Horror gewesen zu sein
Virginia Giuffres Tagebucheinträge und die Aussagen ihrer Familie zeichnen ein düsteres Bild von den letzten Jahren ihrer Ehe. Immer wieder berichtete Giuffre von häuslicher Gewalt, Kontrolle und Einschüchterung durch ihren Ehemann Robert Giuffre. „Je stärker ich wurde, desto gefährlicher wurde er“, schrieb sie. Ihre Aufzeichnungen schildern, wie er sie überwachte, ihr soziale Kontakte untersagte und sie zunehmend isolierte.
Ihre Familie bestätigte, dass Virginia Giuffre in dieser Zeit kaum noch erreichbar gewesen sei und oft nicht klar gewesen sei, wer tatsächlich ihre Nachrichten verfasste. Frühere Polizeiberichte und Gerichtsdokumente deuteten ebenfalls auf Auseinandersetzungen hin. Bereits 2015 war Robert Giuffre wegen eines Vorfalls häuslicher Gewalt verurteilt worden. Nach Angaben von Virginia Giuffres Angehörigen eskalierte die Situation Anfang 2025 noch einmal. Es sei zu einem Angriff gekommen, bei dem Virginia Giuffre Verletzungen erlitten habe.
Doch auch Robert Giuffre beschuldigte seine Ehefrau, ihn körperlich angegangen zu sein. Ihr wurde daraufhin durch eine einstweilige Verfügung der Kontakt zu ihren Kindern untersagt.
Zweifel am Suizid
Trotz der offiziellen Bestätigung ihres Suizids zweifeln einige daran. Der britische Autor und Epstein-Experte Andrew Lownie sagte der „Bild„: „Wir wissen so wenig über ihren Tod. Mir wurde gesagt, sie sei eine Kämpferin gewesen, die ihre Kinder liebte und niemals Selbstmord begangen hätte. Ich kann ihre Vorahnung ihres Todes nicht aus meinem Kopf bekommen. So viele von Epsteins Opfern sind unter ungeklärten Umständen gestorben.“
Giuffres Co-Autorin beschreibt sie als „hingebungsvolle Mutter“, die nach ihrem Unfall wieder zu Kräften kommen wollte und fest entschlossen gewesen sei, das Sorgerecht für ihre Kinder zurückzuerlangen. Doch in ihren letzten Aufzeichnungen spürt man Müdigkeit. Und die Erschöpfung einer Frau, die zu lange kämpfen musste.