Fernsehen: Das dunkle Schweigen: TV-Drama „Von uns wird es keiner sein“

An einem Kleinstadt-Gymnasium halten Teenager und Erwachsene ihre wunden Punkte sorgfältig verborgen. Doch die Suizid-Drohung eines Unbekannten ändert alles. Die Fassaden bekommen auf einmal Risse.

Mitten in der Chemiestunde der Abiturklasse platzt die Bombe. Ein kurzer Film im Hochkant-Format flutet alle Bildschirme des Kleinstadt-Gymnasiums. Vom Schulmonitor bis zur Whatsapp-Gruppe: Überall spielt sich ein Video ab, in dem eine tonlose junge Stimme zu tristen Wackel-Bildern den eigenen Tod ankündigt und der ganzen Schule ein Ultimatum stellt. 

Die Hacker-Aktion greift in viele Leben ein. Was dieser Tabubruch mit der Schülerschar und dem Lehrkörper anstellt, zeigt am Beispiel von vier Teenagern das eindrucksvolle Fernsehdrama „Von uns wird es keiner sein“. Es läuft am Montag (20. Oktober) um 20.15 Uhr im ZDF. Schon am Freitag davor (17. Oktober), ebenfalls zur Primetime, kann man es auf Arte verfolgen.

 „Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr“

„Achtung, das geht Euch alle an. Ich weiß nicht, ob das alles für mich noch Sinn macht, das Leben“, wispert die Stimme. „Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mal, ob ich mein Abitur dieses Jahr noch ablege. Ich weiß nicht weiter. Ich will, dass es aufhört. Aber ich weiß auch nicht, wie man darüber spricht. Wo soll ich anfangen und bei wem? Und wenn ich es probiere, versteht mich eh niemand. Vielleicht suche ich nicht Euch, sondern Ihr mich. Ihr habt fünf Tage Zeit mich zu finden. Fünf Tage. Ich hoffe, Ihr findet mich. Bitte!“

Der anonyme Hilfeschrei löst an der Schule äußerst verschiedene Reaktionen aus. Vor allem im Lehrerzimmer gehen die Meinungen auseinander. Der mit den Jahren zynisch gewordene Pädagoge Michael Scheithauer (Tom Keune) tut das Ganze ab: „Leute, wie können doch nicht wegen jedem Video einen Krisenplan abspulen.“ Der feinfühlige Idealist Ritchie Ludger (Sabin Tambrea) macht sich hingegen große Sorgen um seine Schützlinge. Man einigt sich auf den Minimal-Konsens: Psychologin Selma Dagostino (Stefanie Reinsperger) rückt an.

Die fünf Tage Ultimatum lösen etwas aus

Alle fragen sich: Wer will sterben? Fünf Tage lang legt die Drohung die Nerven immer mehr blank, auch bei den vier Schulfreunden Julia, Mina, Waldi und Tom, allesamt aus der Abi-Klasse. „Na ja, von uns wird es keiner sein. Wir sind Freunde. Das würden wir uns doch wohl erzählen, oder nicht?“, sagt Julia (Mina-Giselle Rüffer). Doch der Blick in die ernsten Gesichter ihrer kleinen Clique belehrt sie sofort eines Besseren. Jungschauspielerin Rüffer liefert ebenso wie Lukas von Horbatschewsky, Kosmas Schmidt und Derya Akyol eine beeindruckend authentische Darstellung ab.

Nach und nach wird klar: Alle vier Freunde gehen mit seelischen Belastungen durch das Leben, die sie nicht einmal ihrem engsten Umfeld anvertrauen. Sie sind heimlich von Ehrgeiz und Zukunftsangst zerfressen, von Geschlechterrollen zerrissen oder von unverarbeiteten Familiengeheimnissen fast erdrückt. Und auch über dem Lehrkörper schweben dunklen Wolken. Stammt die Drohung am Ende gar nicht aus einer der Klassen, sondern aus dem Kreis der Pädagogen? An Tag fünf kommt es schließlich zu einem dramatischen Showdown.

Wege aus der Depression

„Von uns wird es keiner sein“ von Lucas Flasch (Buch) und Simon Ostermann (Regie) gehört zum Programmschwerpunkt „Psychisch stark – Wege aus der Depression“ im Zweiten. Der Film ist ein Appell an jeden, der sich in einer Sackgasse fühlt, so schnell wie möglich Hilfsangebote anzunehmen. Es wäre zu wünschen, dass das Fernsehen mehr solcher Beiträge ausstrahlt und so dazu beiträgt, seelische und psychische Probleme aus der Tabuzone zu holen.