Junge Unionsabgeordnete rebellieren wegen der Rentenreform. Der Kanzler hatte der SPD fahrlässig einen 100-Milliarden-Rententrick erlaubt. Eine Korrektur ist nötig.
Schon wieder hakt’s bei einem Großprojekt der Koalition. Diesmal ist es die „Junge Gruppe“ der Unionsfraktion, die den Streit auslöst. Die 18 Abgeordneten haben ihr Veto gegen das geplante Rentenpaket von Friedrich Merz und Lars Klingbeil angekündigt. Damit fehlt der Koalition die Mehrheit.
Rumms.
Wieder ein unnötiger Streit? Ampelt die Koalition erneut? Keinesfalls. Der Widerspruch der Jungen hatte sich über Wochen angekündigt. Es ist kein Streit um des Streites willen. Es geht vielmehr um eine grundsätzliche Frage: Hat diese Koalition die Kraft für eine ordentliche Rentenreform? Oder wird selbst ein Reförmchen durch Tricks entwertet?
Der Rententrick der SPD ist eine Frechheit
Letzteres werfen die jungen Unionsabgeordneten der SPD vor, aber auch dem eigenen Kanzler. Laut ihnen geht es um rund 100 Milliarden Euro zusätzlich, die die Koalition in den nächsten Jahren ins Rentensystem verschieben will. Und zwar dadurch, dass die von der Bundesregierung beschlossene Festschreibung des Rentenniveaus bis 2031 automatisch das Rentenniveau der Folgejahre um einen Punkt erhöht. Im Koalitionsvertrag hatte man die Jahre danach allerdings bewusst ausgeklammert. Stichwort: Kostenexplosion.
Der Kern des Problems ist rasch skizziert: Die Zahl der Beitragszahler schrumpft, die Zahl der Leistungsbezieher steigt – und sie leben länger. Der allgemeine Wohlstand wird wohl sinken. Gerade deshalb sollte eine Rentenkommission Wege finden, das System langfristig stabil zu halten. Dass die SPD nun mittels eines Rechentricks die Kosten für die kommenden Jahrzehnte künstlich in die Höhe treibt, ist unter diesen Umständen vor allem eines: Wahnsinn.
Und nahezu jeder weiß es. 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind für Renten-Reformen. Wer sagt’s der SPD? Haallooo?!
Anders als die Sozialdemokraten offenbar glauben, haben viele Menschen inzwischen mindestens genauso große Wut auf eine Politik, die aus Angst vor der eigenen Courage gar nichts mehr grundsätzlich anpackt, statt davor, durch mögliche Reformen vielleicht hier und da verzichten zu müssen. Die Zeit der Status-Quo-Politik ist vorbei.
Kritik an der Rentenreform geht gegen Merz
Erneut zielt die Kritik der Unionsleute aber auch aufs Kanzleramt: Merz und sein Kanzleramtschef Thorsten Frei wurden früh aus der Fraktion gewarnt: Eine Rentenregel, die über den bisherigen Kompromiss hinausgeht, würde schwierig bei den eigenen Leuten durchzusetzen sein. Die Warnung verhallte.
In der Fraktion verstärkt diese erneute Leichtfertigkeit den Eindruck, dass man sich im Kanzleramt nur sehr ungern mit dem Kleingedruckten beschäftigt – beim Koalitionspartner SPD dafür umso lieber.
Eines muss man den jungen Wilden trotzdem vorwerfen: Bestandteil des Rentenpakets ist neben der Haltelinie beim Rentenniveau allerdings auch die Vollendung der Mütterrente. Das Herzensprojekt der CSU.kritisieren die jungen Abgeordneten in ihrer kleinen Revolte nicht. Ein Fehler.
Schließlich ist das milliardenschwere Projekt die Sollbruchstelle jeder ernsthaften Rentendebatte innerhalb dieser Koalition: Warum sollten die Sozialdemokraten größere Abstriche bei ihren Rentenideen machen, wenn die Unionsseite ebenfalls weiter Geld ins Rentensystem pumpt?
Eben.
Die jungen Abgeordneten sollten deshalb den Konflikt mit Markus Söder nicht scheuen, wenn ihnen wirklich an Generationengerechtigkeit gelegen ist. Nichtmal in der CSU stehen alle noch hinter Söders halsbrecherischem Milliardenplan.
In diesem Fall hätten die jungen Wilden eine Chance auf Erfolg mit ihrem Aufstand. Der Mut dazu wäre ihnen zu wünschen. Diesen Streit muss die Koalition austragen. Und zwar jetzt.