Fußball-Nationalmannschaft: Jedes Tor zählt: Gegen Luxemburg muss es rappeln

Julian Nagelsmann steckt in einem Dilemma. Ohne Achse funktionieren die Lieferketten in der WM-Qualifikation nicht. Wie soll er da eine Elf einspielen? Gegen den Tabellenletzten zählt nur eines.

Rumpel-Sieg oder Schützenfest? Auch nach dem mehr als holprigen Start der Nationalmannschaft in die WM-Qualifikation kann es gegen das Fußball-Leichtgewicht Luxemburg nur diese Fragen geben: Wie hoch gewinnt Deutschland am Freitag (20.45 Uhr/ARD) in Sinsheim? Und wie oft wird die Torhymne „Major Tom“ in der ausverkauften Arena erklingen?

Mit forschen Ergebnis-Tipps halten sich die gebrannten Nationalspieler freilich vornehm zurück. „Ziel ist ein gutes Spiel – und drei Punkte einzufahren“, sagte Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann vor seinem Heimspiel. Zuversichtlich stimmen den 35-Jährigen immerhin die Trainingseindrücke, die Baumann so beschreibt: „Totale Spielfreude, gute Stimmung, extreme Power.“

Woltemade meldet sich nach Infekt zurück

Und eine gute Nachricht gab es dann auch noch beim Abschlusstraining, das noch im Stammquartier in Herzogenaurach stattfand: Nick Woltemade stand nach seinem grippalen Infekt wieder auf dem Platz. Die Frage ist: Wie sehr hat den formstärksten deutschen Angreifer die kurze Erkrankung geschwächt? 

Etwas mutiger als Baumann äußerte sich der Leipziger David Raum: „In erster Linie wollen wir ein dominantes und gutes Spiel zeigen. Wie hoch wir gewinnen, werden wir sehen.“ Die 25.249 Zuschauer mitnehmen, lautet Raums Plan: „Das schafft man mit Toren.“ Vielen Toren. Die letzten zwei Spiele gegen Luxemburg endeten jeweils 7:0. Das war übrigens vor den WM-Turnieren 1998 und 2006.

7:0 als Richtwert

Ist damit acht Monate vor der nächsten WM das Richtmaß gesetzt? Luxemburgs Team der Gegenwart mit Ex-Bundesligaprofi Jeff Strasser als Coach scheint durchaus wehrhafter, wie die knappen Heimniederlagen gegen Nordirland (1:3) und die Slowakei (0:1) bewiesen. In der FIFA-Weltrangliste wird das kleine deutsche Nachbarland aber gerade mal auf Platz 96 geführt; eingerahmt von den Fußball-Zwergen Äquatorial-Guinea und Mosambik.

Der Mainzer Mittelfeldspieler Nadiem Amiri, ein Kandidat für die Startelf, warnte vor einer längst nicht mehr zeitgemäßen Erwartungshaltung im Land. „Alle erwarten immer von uns, dass wir die Gegner 5:0, 6:0 besiegen. Aber es gibt keine kleinen, schwachen Gegner mehr. Alle können dagegenhalten.“

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat die Partien gegen Luxemburg und Nordirland zu einem Gesamtpaket geschnürt. Der 38-Jährige fordert zum Start in sein drittes Bundestrainer-Jahr „zwei Siege, um die WM-Qualifikation weiter auf direktem Weg zu erreichen“. Nach zwei von sechs Spieltagen liegt die DFB-Auswahl in Gruppe A gleichauf mit den Nordiren drei Punkte hinter der Slowakei (6).

Das 0:2 in Bratislava wirkt nach. Und die Slowaken stehen auch bei der Tordifferenz drei Treffer besser da. Darum braucht es in Sinsheim am besten ein Torfest. Denn jeder Treffer könnte bei der Endabrechnung im November über das direkte WM-Ticket entscheiden. Bei Punktegleichheit zählt in erster Instanz die Tordifferenz und nicht der direkte Vergleich.

Der starke Bayern-Block als Erfolgsgarant

Das Toreschießen ist aber seit dem 3:3-Spektakel gegen Italien Ende März im Nations-League-Viertelfinale zu einem Problem geworden. Und das liegt auch am Personal. Jamal Musiala und Tim Kleindienst, die damals in Dortmund neben Elfmeterschütze Joshua Kimmich trafen, sind seitdem nicht mehr dabei. 

Nagelsmanns aktuelle Hoffnungsträger für Tore sind der formstarke Münchner Block um Serge Gnabry, der beim FC Liverpool um seine Form ringende Florian Wirtz und Jungstar Woltemade, der in seinen ersten Pflichtspielen für Newcastle United mit vier Toren mächtig Eindruck gemacht hat in England.

„Unser Kader hat die Qualität, um es besser zu machen als zuletzt“, sagte Nagelsmann pragmatisch. Experten wie Rekordnationalspieler Lothar Matthäus erwarten freilich von ihm, acht Monate vor der WM endlich mit Experimenten aufzuhören und eine Elf mit einem klaren Spielsystem einzuspielen.

Aber wie soll das gehen, wenn die zentrale Achse mit Ausnahme von Kapitän Kimmich und Offensiv-Fixpunkt Wirtz komplett wegbricht? Torwart Marc-André ter Stegen? Langzeitverletzt nach Rücken-OP. Abwehrchef Antonio Rüdiger? Fällt mit einer schweren Muskelverletzung bis zum Jahresende aus.

Ein Rückkehrer als Führungskraft

Spielmacher Musiala? Comeback-Zeitpunkt offen nach dem komplizierten Beinbruch bei der Club-WM im Sommer. Und Kai Havertz? Der Arsenal-Stürmer hat wegen diverser Blessuren sein letztes Länderspiel 2024 bestritten.

„Wir sind in einer instabilen Situation“, sagte darum sogar Nagelsmann. Die Lücken muss er mit Spielern füllen, die international kaum Meriten vorweisen können. Ein Lichtblick ist immerhin die Rückkehr von Nico Schlotterbeck. Der 25 Jahre alte Dortmunder soll Vize-Kapitän Rüdiger auch als Führungskraft ersetzen. Nagelsmann setzt auf „den super Siegeswillen“ des Rückkehrers, dessen Abwehrqualitäten vor allem in Nordirland gefragt sein dürften.

Gegen Luxemburg geht es um Offensiv-Lösungen. Spieler wie Wirtz oder Woltemade, die sich in engen Räumen zurechtfinden. Amiri, der beim zähen 3:1 gegen Nordirland als Joker mit seinem ersten Länderspieltor stach, erwartet „ein ekliges Spiel“. Der 28-Jährige versprach den Fans aber Fußball mit Hingabe: „Wir brauchen jetzt einfach Sieg nach Sieg in der Gruppe.“