Bundesarbeitsgericht erschwert Arbeitgebern Rosinenpickerei in Arbeitsverträgen

Für die in Arbeitsverträgen häufigen Verweise auf einen Tarifvertrag hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) Arbeitgebern die Rosinenpickerei erschwert. Nach einem am Mittwoch in Erfurt veröffentlichten Urteil unterliegt ein Arbeitsvertrag der vollen gerichtlichen Kontrolle, wenn er nicht den gesamten Tarifvertrag in Bezug nimmt, sondern teils abweichende Regelungen trifft. (Az. 10 AZR 162/24)

Von Arbeitgebern formularmäßig verwendete Arbeitsverträge gelten rechtlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Wie diese unterliegen sie daher einer gerichtlichen Kontrolle, um eine einseitige Benachteiligung der schwächeren Seite – etwa Verbraucher, Mieter oder eben Arbeitnehmer – zu vermeiden.

Für Tarifverträge gilt dies nicht. Gesetzgeber und Arbeitsgerichte gehen hier davon aus, dass Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf Augenhöhe verhandeln und daher ein für beide Seiten angemessenes Gesamtpaket schnüren.

Der Kläger im Streitfall war Rettungssanitäter in Hessen. Sein Arbeitsvertrag richtete sich weitgehend nach dem Reformtarifvertrag des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), wich aber in mehreren Punkten davon ab.

Im November 2021 hatte der Rettungssanitäter ein Weihnachtsgeld in Höhe von 2767 Euro erhalten. Im Januar kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31. März 2022. Unter Hinweis auf den DRK-Reformtarif forderte der Arbeitgeber die Jahressonderzahlung zurück.

Das BAG urteilte nun, dass der Rettungssanitäter das Geld behalten darf. Zwar seien die tarifvertraglichen Voraussetzungen für eine Rückzahlung erfüllt. Auf das für Tarifverträge bestehende „Kontrollprivileg“ könne sich der Arbeitgeber aber nicht berufen, weil der von ihm vorformulierte Arbeitsvertrag teils abweichende Regelungen enthalte.

Zur Begründung betonten die Erfurter Richter, dass erst „die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags“ die Vermutung rechtfertige, dass er die gegenläufigen Interessen angemessen ausgleicht. Unschädlich seien lediglich ergänzende Klauseln zu Fragen, die der in Bezug genommene Tarifvertrag nicht regelt.

Daher unterliege hier der Arbeitsvertrag einer gerichtlichen Kontrolle. Diese ergebe, dass die Rückzahlung den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Denn nach der tariflichen Klausel solle das Weihnachtsgeld nicht nur die Betriebstreue belohnen, sondern sei auch rückwirkend als „Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung“ gedacht.

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