Mit dem größten je gebauten Raketensystem der Raumfahrtgeschichte will Elon Musk zum Mars. Neun Tests liefen anders als geplant, nun folgt der zehnte. Ist so viel Scheitern normal – oder gar der Plan?
Bringt der zehnte Versuch endlich den ersehnten Erfolg für Elon Musk? Neun Testflüge des größten jemals gebauten Raketensystems der Raumfahrtgeschichte liefen anders als geplant, nun soll das Starship in der Nacht zum Montag vom US-Bundesstaat Texas aus zum zehnten Mal abheben. Der Termin kann sich allerdings jederzeit, auch kurzfristig, noch verschieben.
Das Starship – entwickelt von Musks Raumfahrtfirma SpaceX – ist größer als die Freiheitsstatue in New York. Es besteht aus zwei Teilen, die sich nach dem Start trennen: Dem etwa 70 Meter langen Booster Super Heavy und der – ebenfalls Starship genannten – oberen Stufe, die rund 50 Meter misst.
Starship soll zum Mars – aber viele bisherige Testflüge enttäuschten
Beide Teile sind so konzipiert, dass sie nach der Rückkehr zur Erde wiederverwendet werden können. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa will mit dem Starship Astronauten zum Mond schicken, während SpaceX das Ziel verfolgt, eines Tages den Mars zu erreichen.
Erstmals war das Raketensystem im April 2023 getestet worden – und damals nach wenigen Minuten komplett explodiert. Bei weiteren Tests erreichte die obere Stufe das All und landete auch schon kontrolliert im Indischen Ozean. Zuletzt waren allerdings mehrere Testflüge deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben – und dann explodierte im Juni auch noch eine Starship-Rakete am Boden.
Verhaltener Optimismus vor dem zehnten Teststart
Dennoch: Vor dem geplanten zehnten Testflug herrscht in der Branche verhaltener Optimismus. Detailliert hatte SpaceX in einem Bericht für die US-Luftfahrtbehörde FAA die Gründe des Scheiterns von Flug 9 geschildert. Nun ist die Hoffnung groß, dass das Unternehmen die richtigen Schlüsse daraus gezogen hat.
Allerdings werden auch immer wieder Zweifel am Grunddesign des Systems laut – in der Raumfahrt-Community und auf Fachkonferenzen. Bei einem Kongress in Washington wurde gar ein alternatives Konzept vorgestellt: ein kleineres Starboat statt des großen Starships. Vielleicht brauche es für die Mission gar keine gigantische Rakete, sondern ein reduziertes, pragmatischeres System.
Explosionen gelten zwar als Teil des Lernprozesses, doch sie sind teuer und risikoreich. Das Ziel bleibt ehrgeizig: eine günstige, flexible Rakete für Mond und Mars. Der Weg dorthin scheint weiter als gedacht.
Scheitern? Oder erfolgreiches Datensammeln?
Neun Testflüge, die anders liefen als geplant – ist so viel Scheitern noch normal? Die Testflüge dienten dem Datensammeln, betont SpaceX. Das sei jedes Mal ausgiebig getan worden, deswegen habe auch jeder Testflug seine Berechtigung gehabt.
„Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir ungefähr alle zwei oder drei Wochen ein neues Starship herstellen können“, sagte Musk jüngst bei einer Rede in Starbase im Süden von Texas – jenem Ort, wo die Teststarts stattfinden und der seit Kurzem als eigenständige Stadt auf der Landkarte erscheint. „Letztendlich arbeiten wir auf die Fähigkeit hin, 1.000 Starships pro Jahr produzieren zu können, also drei pro Tag.“
Als einer der reichsten Menschen der Welt hat Musk das Geld für so etwas. SpaceX überträgt die Testflüge live und bekommt so jede Menge Schlagzeilen und Aufmerksamkeit.
Anteil der Fehlstarts in den vergangenen 25 Jahren gering
Auch in Europa liefen nicht alle Raketenstarts erfolgreich. So stürzte etwa der erste kommerzielle Start der Vega C im Dezember 2022 die europäische Raumfahrtbehörde Esa vorübergehend in eine Krise in seinem Trägerraketensektor. Die Rakete hob zwar ab, schlug aber die falsche Bahn ein und konnte die Satelliten an Bord nicht ausliefern. Noch dramatischer war der erste Startversuch der Ariane 5 im Jahr 1996. Die Rakete war damals einfach explodiert.
Auf die Zeit von 2000 bis 2025 geblickt, schlugen sowohl in den USA als auch in Europa vier Prozent aller Raketenstarts nach Daten des Raumfahrt-Thinktanks Espi (European Space Policy Institute) fehl. Ein Trend, dass es im Zeitverlauf mehr oder weniger Fehlstarts gab, lässt sich nicht erkennen.
Aggressivere Risikoabschätzung bei SpaceX
„Die Komplexität des Systems ist natürlich hoch“, meint Espi-Leiter Ludwig Moeller. Das erkläre misslungene Starts zum Teil. Ein weiterer Teil der Antwort liege aber in der Risikobereitschaft. SpaceX gehe mit einer Risikoabschätzung an den Start, die aggressiver ist, als sie es in Europa wäre. Dahinter stehe auch politischer Druck – etwa schneller als China am Mond zu sein. Und die USA haben nicht viele Alternativen zu dem Unternehmen von Musk.
„Nicht normal, was wir da sehen“
„Was mit Starship passiert, ist schon fragwürdig“, sagt Moeller. Es gebe ja nicht nur ein unternehmerisches Risiko, sondern auch eine Gefahr für Menschen und Umwelt – und auch für das Bild, dass die reihenweise schief gelaufenen Starts von der Branche ablieferten. „Ich glaube, in Europa hätte man schon die Schmerzgrenze überschritten. Das wäre, glaube ich, so nicht fortsetzbar.“ Früher sei das auch in den USA nicht viel anders gewesen, aber mit dem Kurswechsel im Weißen Haus gehe es eher weiter in Richtung Deregulierung.
Gleichwohl sieht Moeller mittlerweile eine größere Risikobereitschaft auch in Europa. Der Kontinent sei damit auf dem richtigen Weg, müsse sich aber auch nicht vorwerfen lassen, zu waghalsig vorzugehen. „Ich glaube, Europa hat nach wie vor eher die Tendenz, dann am Ende doch etwas konservativer zu sein.“
Marsflüge sind lebensgefährlich
Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner blickt mit Skepsis auf Musks Marspläne. „Der Mensch wird eines Tages zum Mars fliegen und hoffentlich auch zurück“, sagt der ehemalige Esa-Chef – doch die Risiken seien ungleich größer als bei Mondmissionen. Die heutige Technologie erfordere bis zu zwei Jahre Reisezeit, ohne schnelle Rückkehrmöglichkeit. Strahlung, Stress, Kommunikationsverzögerung und Isolation machten Marsflüge lebensgefährlich.
Er frage sich, was Musk eigentlich auf dem Mars wolle, sagt Wörner. Nur fliegen, weil es eine Herausforderung sei? Oder ernsthaft Umsiedlung auf einen Planeten, der für Menschen kaum lebenswert sei? „Ohne Atmosphäre müssten Marsbesucher in Anzügen oder Habitats leben. Der Mars ist zweifellos faszinierend, doch dafür gibt es Roboter und KI – sie können schon heute forschen, ohne Risiko für Menschen.“
Wörner warnt auch vor der Vorstellung, den Mars als Fluchtort zu sehen. „Ich habe ein sehr ungutes Gefühl dabei, andere Planeten als Ausweg für eine Erde zu haben, die wir nicht schützen.“