Krankenhäuser: Wie sich Kliniken vor Gewalt in Notaufnahmen schützen

Sie kümmern sich um kranke und verletzte Menschen – und werden teils zur Zielscheibe von Pöbeleien und Gewalt. Hessens Kliniken müssen aufrüsten, um Ärzte und Pflegekräfte zu schützen.

Wachpersonal, Deeskalationstrainings und Notrufsysteme – mit unterschiedlichen Strategien reagieren Hessens Kliniken auf Aggressionen und gewaltsame Vorfälle in Notaufnahmen. Immer wieder kommt es dort zu Pöbeleien und gelegentlich auch körperlichen Übergriffen gegen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte. Neben der Behandlung von Patienten ist deshalb auch der Schutz der Mitarbeitenden für die Krankenhäuser ein wichtiges Thema geworden. 

Nach Einschätzung der Hessischen Krankenhausgesellschaft geht es nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. „Die Rückmeldungen aus unseren Mitgliedskliniken zeigten, dass sich viele Häuser intensiv um Prävention und Schutz bemühen“, sagte eine Sprecherin – mit baulichen Anpassungen ebenso wie technischen Hilfsmitteln sowie Kooperationen mit der Polizei. Die Vorkehrungen seien mit nicht unerheblichen Kosten verbunden, die die Kliniken meist aus dem eigenen Budget stemmen müssten.

„Ich hole meine Axt raus und spalte dir den Schädel“

Am Klinikum Fulda etwa sind nach Angaben eines Sprechers die Mitarbeitenden der Notaufnahme mit einem Notrufsystem ausgestattet, Wachpersonal ist am Abend und in der Nacht im Einsatz. Für psychiatrische Patienten kann bei Bedarf ein sogenannter „Entspannungsraum“ genutzt werden, wie ein Sprecher mitteilte. Im Notfall gebe es eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei, auch Hausverbote könnten ausgesprochen werden. 

Meist gehe es bei den Vorfällen um verbale Aggressivität – Mitarbeitende hätten sich schon Drohungen wie „Ich hole meine Axt raus und spalte dir den Schädel“ anhören müssen. Aber auch körperliche Gewalt werde ausgeübt. 

Was sind die Hintergründe solcher Vorfälle? Gesellschaftliche Entwicklungen wie ein allgemein rauerer Umgangston, das Schauen auf den eigenen Vorteil statt gegenseitige Rücksichtnahme und eine gestiegene Anspruchshaltung seien auch im Gesundheitswesen spürbar. Im psychiatrischen Bereich stünden einige Notfall-Patienten außerdem unter starkem Drogeneinfluss. 

Verbale Angriffe und Bedrohungen in Kassel

Auch das Klinikum Kassel trifft Vorsorge für die Sicherheit seines Personals: „Wichtig ist uns eine akute Hilfe für unsere Mitarbeitenden in der Gefahrensituation“, sagte eine Sprecherin. „Die besonders betroffenen Bereiche haben Schulungen zum deeskalierenden Verhalten gegenüber aggressiven Personen durchgeführt.“ Es gebe einen rufbereiten Sicherheitsdienst, der zu bestimmten Zeiten auch Präsenz zeige. „Auf den psychiatrischen Stationen haben wir das Personal im Nachtdienst verstärkt.“ Darüber hinaus verständige man im Bedarfsfall die Polizei. 

„Wir bieten unseren Beschäftigten auch Rechtsbeistand und sprechen gegebenenfalls Hausverbote aus, denn ein Krankenhaus soll ein Schutzraum für alle Menschen sein.“ Aggressives Verhalten schade sowohl den Teams der Klinik als auch den Patienten in der Umgebung. „Wenn unsere Mitarbeitenden trotz allem Gewalterfahrungen machen mussten, bieten wir ihnen kurzfristig intern psychologische Hilfe.“ 

Eine Zunahme von Handgreiflichkeiten stelle man am Klinikum Kassel nicht fest, sagte die Sprecherin. Allerdings gebe es mehr verbale Angriffe und Bedrohungen. 

Kriseninterventionsteam für Mitarbeiter an Frankfurter Uniklinikum 

„Übergriffe auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein relevantes Thema“, heißt es am Uniklinikum in Frankfurt. Zur Prävention würden Deeskalationstrainings angeboten. Gerade in der Zentralen Notaufnahme seien zudem einige Sicherheitsmaßnahmen wie ein Notfallknopf mit direkter Alarmierung der Polizei, aber auch die Präsenz des Sicherheitsdienstes in der Nacht eingeführt worden. Zudem gebe es ein Kriseninterventionsteam, an das sich betroffene Mitarbeitende wenden könnten.

Laut den Angaben wurden in den vergangenen beiden Jahren mehrere Hundert Übergriffe in verschiedenen Bereichen registriert. „In vielen Fällen handelt es sich um – aus verschiedenen Gründen – nicht zurechnungsfähige und damit meist auch nicht straffähige Menschen“, hieß es. 

Wiesbadener Klinik bietet Personal Deeskalationstrainings

„Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass körperliche Übergriffe auf unser Personal nur sehr selten passieren“, sagte ein Sprecher der Wiesbadener HSK-Klinik. Zur Prävention gebe es regelmäßige Deeskalationstrainings und Schulungen. Zudem sollen organisatorische und bauliche Konzepte in den Notaufnahmen ein aggressives Verhalten gegenüber Mitarbeitern vorbeugen. 

„Unser Personal ist routiniert im Umgang mit schwierigen Situationen und richtet sich nach Notfallplänen“, ergänzte der Sprecher. „Dies bedeutet, dass in kritischen Fällen die Polizei hinzugezogen wird.“

Klinikum Darmstadt: Patienten schätzen Dringlichkeit falsch ein

Auch am Klinikum Darmstadt werden Mitarbeitende mitunter beschimpft oder bedroht, in seltenen Fällen kommt es auch zu tätlichen Angriffen, wie eine Sprecherin mitteilte. „Die Angreifer stehen häufig unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol oder haben eine psychische Erkrankung, die sie überreagieren lässt“, sagte sie. Eskalationspotential für Beschimpfungen und Bedrohungen bestehe zudem immer dann, „wenn Menschen ihre gesundheitliche Situation ernster einschätzen, als das Fachpersonal es tut“. 

Durch verschiedene Gründe wie Haus- und Fachärztemangel komme es immer häufiger vor, dass Menschen die Notaufnahme aufsuchten, die eigentlich zu einem niedergelassenen Arzt gehen müssten. Das könne für lange Wartezeiten und Unmut bei den Patienten führen. 

Neben einem eigenen Sicherheitsdienst setzt das Klinikum auf eine Polizeiwache in unmittelbarer Nähe, deren Beamte schnell vor Ort seien. Hinzu kommen Deeskalationstrainings sowie bauliche Maßnahmen.

Fluchträume, Kameraüberwachung und eine Mahnung aus Gießen

Deeskalationsschulungen und der zeitweise auch verstärkte Einsatz von Security-Mitarbeitern sind auch am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) üblich. Hinzu kommen Fluchträume, Kameraüberwachung, Notsignalgeber und nur mit Code oder Schlüssel zu öffnende Notaufnahme-Zugänge. Das Team werde zudem von der Polizei ausführlich beraten, „wie in Bedrohungslagen am besten zu reagieren ist“, erklärte ein UKGM-Sprecher. 

Er mahnte auch einen respektvollen Umgang in der Notaufnahme an. Bei allem Verständnis für die oft besonderen Situationen könne man „nicht akzeptieren, dass wir uns immer stärker rüsten und schützen müssen, um unseren Dienst am Menschen leisten zu können“.