Alaska-Gipfel: Hoffen und Bangen in Berlin: „Zwei Männer, unberechenbar und skrupellos“

Vor dem Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin liegt im politischen Berlin Hoffnung in der Luft. Allerdings muss sich dafür eine Bedingung am Freitag erfüllen.

Wie werden sich diese beiden Männer begegnen? Frostig, freundlich, sogar einander zugewandt? Dass sie es überhaupt tun, zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren von Angesicht zu Angesicht, ist schon eine Sensation.

Wenn Donald Trump und Wladimir Putin, der amerikanische und der russische Präsident, an diesem Freitag in Alaska (21.30 Uhr MESZ, aktuelle Informationen zum Trump-Putin-Gipfel finden Sie in unserem Newsblog) aufeinandertreffen, dürfte jedes kleinste Detail ihrer Begegnung ausgedeutet werden. Auf der Suche nach Anhaltspunkten, was diese beiden Männer aushecken könnten. Im schlimmsten Fall über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg. 

Der eilig organisierte Gipfelmarathon von Kanzler Friedrich Merz am Mittwoch war Ausdruck davon und sollte jenes Worst-Case-Szenario von einer Art Diktatfrieden verhindern. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus Europäischer Union und Nato schickten per Videoschalte die klare Botschaft nach Washington, dass sie bei möglichen Friedensverhandlungen ein Wörtchen mitreden wollen. Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, reiste sogar persönlich nach Berlin, um die demonstrierte Geschlossenheit zu unterstreichen.   

Fragt sich nur, ob Donald Trump sich auch nachhaltig davon beeindrucken lässt. Der US-Präsident agiert oft erratisch, sendet unterschiedliche Signale, verändert aus einer Laune heraus seine Meinung. Und so macht man sich im politischen Berlin, wo nach der Diplomatie-Offensive zumindest ein Hauch von Hoffnung in der Luft liegt, keine Illusionen. 

„Was aus dem Gipfel folgen wird, ist auch wenige Stunden vor dessen Beginn noch unklar“, sagte SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich dem stern. Er mahnt, dass sehr bald eine neue, kritische Phase des Krieges eintreten könnte, weil in Anchorage im Süden Alaskas „zwei Männer zusammenkommen, die, jeder auf seine Art, unberechenbar und skrupellos sind“. 

Noch gibt es viele Ungewissheiten

In den vergangenen Tagen ist die für Trump typische Sprunghaftigkeit mehrfach zutage getreten. Noch Anfang der Woche suggerierte der US-Präsident offen die Möglichkeit eines Gebietstauschs zwischen Russland und der Ukraine, sprach gar von Landveränderungen. Das schürte die Sorge, Trump könnte im Alleingang Fakten schaffen und sich vom ehemaligen KGB-Agenten Putin einlullen lassen. „Ich werde keinen Deal machen“, beteuerte Trump kurz darauf und schob hinterher, er wolle „den besten Deal für beide Seiten“. 

Nach dem Telefonat mit den Europäern erklärte Trump vor Journalisten, er erwarte nach Freitag ein gemeinsames Treffen mit dem russischen und dem ukrainischen Präsidenten. Trump drohte Russland außerdem schmerzhafte Sanktionen an, sollte Putin in Anchorage keinen Willen zum Frieden zeigen. Das war schon wieder eine andere Tonlage.

Was denn nun? 

Aus Regierungskreisen hieß es am Mittwochabend, die Gespräche mit den Amerikanern seien „sehr konstruktiv“ verlaufen und diese würden nicht ohne die Ukraine und ohne Europa verhandeln wollen. Der Eindruck auf deutscher Seite nach tagelangen, intensiven Vorgesprächen mit den Amerikanern: Die roten Linien der Europäer und Ukrainer, bestehend aus fünf Kernforderungen, sind angekommen in Washington. Vorsichtiger Optimismus.

Doch auch, wenn ein Diktatfrieden womöglich abgewendet, zumindest unwahrscheinlicher erscheint: Eine Lösung zeichnet sich noch nicht ab, auch nicht nach dem Blitzbesuch von Selensykj in Berlin. Auch Rolf Mützenich, der frühere SPD-Fraktionschef, verweist auf die bestehenden Ungewissheiten. „Weder ist eine Fortsetzung der russischen Angriffe, vielleicht sogar in noch größerer Intensität, ausgeschlossen, noch eine weitere Destabilisierung der internationalen Ordnung“, sagte Mützenich. 

Donald Trump stellt weiteres Treffen in Aussicht 

Kanzler Merz hatte nach einem gemeinsamen Auftritt mit Präsident Selenskyj vor Journalisten betont, dass bisher alle Gespräche, die mit Putin in den vergangenen dreieinhalb Jahren geführt worden seien, „jedes Mal mit einer noch härteren militärischen Antwort begleitet worden sind“. Das müsse diesmal anders sein, forderte er. Präsident Selenskyj sprach von einem „Bluff“ Putins. Beide plädierten für erhöhten Druck auf Russland. 

SPD-Mann Mützenich, der über atomwaffenfreie Zonen promoviert und sich der Friedenspolitik verschrieben hat, begrüßt vor diesem Hintergrund den europäischen Schulterschluss. Es sei „gut und richtig, dass einige europäische Regierungen zusammen mit Präsident Selenskyj Erwartungen formuliert haben, die zu einem belastbaren Weg führen könnten, wie ein Ende der Kämpfe erreicht werden kann“. Das dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jüngste europäische Initiative „aus Stärke und Diplomatie sehr spät, wenn nicht sogar zu spät“ daherkomme.  

Wie geht’s jetzt weiter? Trump stellte erneut ein Treffen zwischen Selenskyj und Putin in Aussicht. Sofern die beiden dies wünschten, könne er auch selbst daran teilnehmen. Allerdings wolle er zunächst abwarten, wie sein Gipfel mit Putin verlaufe – denn ebenso könne es auch nicht zu einem weiteren Treffen kommen. 

Bei dem Gipfel in Alaska will Trump nach eigenen Worten zunächst die Rahmenbedingungen abklären. Zugleich gab er zu, dass er wohl nicht in der Lage sei, Putin von weiteren Angriffen auf die Ukraine abzuhalten.

„Unabhängig vom eigentlichen Thema könnte mit dem Gipfel eine Phase beginnen, in der Großmächte wieder über Interessensphären reden“, warnte SPD-Politiker Mützenich. Der CDU-Außenpolitiker Johannes Volkmann betonte im stern: „Es ist wichtig, dass nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg Entscheidungen getroffen werden, sondern das Land frei über seine Zukunft entscheiden kann.“