Merz sieht Anfang bei „Politikwechsel“ gemacht – aber „noch viel zu tun“

Nach den ersten 100 Tagen im Amt sieht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) einen „Politikwechsel“ in Deutschland eingeläutet. Es bleibe aber „noch viel zu tun“, sagte er am Donnerstag. Angesichts einer Reihe von Streitthemen zeigten sich die Deutschen im ZDF-„Politbarometer“ jedoch überwiegend skeptisch, was die Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD angeht.

„Deutschland ist wieder verlässlicher Partner in Europa und weltweit“, erklärte Merz im Onlinedienst X. „Wir haben die Wirtschaftswende eingeleitet und die Migrationspolitik der vergangenen Jahre korrigiert. Der Anfang ist gemacht.“ 

„100 Tage sind wir an der Arbeit, um die Lebensbedingungen für die Menschen in Deutschland zu verbessern“, sagte der Kanzler in einer auf X veröffentlichten Video-Botschaft. „Wir haben einiges auf den Weg gebracht. In Deutschland wird wieder investiert. Die Stimmung in der Wirtschaft wird langsam besser. Aber ich weiß auch, wir haben noch viel zu tun.“

Konfliktfrei lief die Anfangsphase nicht – besonders die gescheiterte Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht im Juli sorgte für erhebliche Verstimmungen in der Koalition aus Union und SPD. Auch bei weiteren Themen ist sich das Bündnis uneinig – etwa bei der Stromsteuer-Senkung oder der Israel-Politik.

„Unterm Strich hat diese Regierung in den ersten 100 Tagen viel auf den Weg gebracht“, erklärte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese auf X und verwies auf Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit, das Rentenpaket und das Tariftreuegesetz. „Aber die gescheiterte Richterwahl hat vieles überlagert.“ Die Neubesetzung von insgesamt drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht musste Anfang Juli kurzfristig im Bundestag von der Tagesordnung genommen werden, weil die Union Vorbehalte gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hatte.

Konflikte in der Koalition schlagen sich auch in der Wahrnehmung der Deutschen nieder. Im ZDF-„Politbarometer“ gaben 61 Prozent der Befragten an, sie bewerteten die Kooperation der beiden Regierungsfraktionen eher schlecht. 32 Prozent bezeichneten sie mit eher gut. Zum Amtsantritt der neuen Regierung Anfang Mai ging noch gut die Hälfte der Befragten von einer eher guten Zusammenarbeit aus (51 Prozent). 

Die Arbeit der Bundesregierung bewerteten nun 44 Prozent noch eher gut, 46 Prozent eher schlecht, wie das „Politbarometer“ ergab. Etwas besser kam noch Kanzler Friedrich Merz (CDU) weg: Sein Wirken sahen 49 Prozent eher gut, 45 Prozent eher schlecht. 

Bei großen Herausforderungen wie der Reform des Rentensystems sind die Bundesbürger aber eher skeptisch: Nur 24 Prozent gaben an, dass die Regierung hier einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten könne. 72 Prozent glaubten das nicht. 

Der Kanzler habe „den großen Aufbruch angekündigt, zu besichtigen ist der Rückschritt“, sagte Grünen-Parteichef Felix Banaszak den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er warf Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor, Klimaschutz und Energiewende zu verzögern, „wo sie nur kann“ und lieber Milliarden in neue fossile Gaskraftwerke zu stecken. Dass die Bundesregierung die Stromsteuer für die Industrie, nicht aber für private Verbraucher senkt, bezeichnete Banaszak als „Politik, die wenige schützt und den Rest im Regen stehen lässt“.

AfD-Chefin Alice Weidel warf Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, er verbreite „Märchen“, wenn er behaupte, die Migrationswende wirke. Grenzkontrollen fänden „nach wie vor nur sporadisch statt“, erklärte sie auf X. Weiter könnten aus Sicht der AfD zu viele Menschen nach Deutschland einwandern. „Das ist keine Migrationswende – es ist Betrug am Wähler.“

Aus Sicht von FDP-Chef Christian Dürr ist der von Merz versprochene Politikwechsel ausgeblieben. „Friedrich Merz fällt sogar noch hinter Angela Merkel zurück, was Mut zu Reformen und die wirtschaftliche Erneuerung des Landes angeht“, sagte Dürr der „Rheinischen Post“ vom Donnerstag. „Und die Uneinigkeit in der Koalition ist im Vergleich zur Ampel ja fast noch größer geworden.“