Sie sind überall – an der Ampel, in der Fußgängerzone, auf dem Rad: Männer oben ohne. Kaum wird’s warm, ziehen sie sich öffentlich aus. Unsere Autorin fordert: Lasst das sein!
In vielen deutschen Großstädten gehören Oben-ohne-Männer im Sommer längst zum Stadtbild. Mal trainiert, mal behaart, mal mit größerem Bauchumfang. Was mir vermehrt auffällt und unter Männern schon alltäglich erscheint, ist auf Social Media längst normal.
Und das, während wir doch in einer Zeit leben, in der wir zum Glück über Safe Spaces sprechen und eigentlich ein Bewusstsein für ungewollte Nähe wächst. Es wird offener über Grenzen, über unerwünschte Aufmerksamkeit gegenüber Frauen gesprochen.
Gerade deswegen finde ich die „Freiheit“, die manche Männer ausleben, mehr als befremdlich. Sie wirkt auf mich wie eine Rückeroberung von Männlichkeit, die im öffentlichen Raum Platz einnehmen soll. Alle sollen sehen, dass man hart trainiert hat oder eben, dass man halbnackt vor die Tür gehen kann, einfach weil man ein Mann ist.
Oberkörperfrei zu sein, ist auch ein Statement
Der männliche Brustkorb ist nicht nur ein Teil des Körpers. Er ist oft ein Statement – und wird seit jeher als Symbol von Stärke und Dominanz inszeniert. Man denke nur an Wladimir Putin, der seinen nackten Oberkörper schon mehrfach zur Machtdemonstration und als Zeichen der Überlegenheit einsetzte.
Denn Männer sind Frauen hier leider – mal wieder – voraus. Männer spazieren oben ohne durch die Stadt. Frauen? Aus Selbstschutz undenkbar. Und während sich im Netz durchtrainierte Männerkörper endlos sonnen, bleibt Frauen diese Freiheit verwehrt. Nicht, weil sie nicht wollen – sondern weil sie nicht dürfen. Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen werden, müssen zudem noch immer ihre Kleiderwahl verteidigen. Eine gesellschaftliche Schieflage!
Auch Wladimir Putin nutzte fehlende Körperbekleidung schon als Statement
© IMAGO / ZUMA Press
Dabei sei gesagt, dass es mir egal ist, ob neben mir ein schwitzender Sixpack zu sehen ist oder ein älteres, aus der Form gekommenes Modell Marke Bierbauch.
Ich möchte mich auf halbnackte Körper einstellen können. Im Schwimmbad weiß ich, was mich erwartet. Im stickigen Supermarkt an der Kasse ist es nur unpassend und übergriffig!
Und ja, ich nehme Männer in die Pflicht. Es geht nicht um Sixpacks oder Bierbäuche. Es geht darum, dass Respekt nicht bei der Kleidung aufhört. Also: Zieht euch gefälligst etwas an!