Projekt Digitale Unfallspuren: Polizei liest Unfalldaten aus – Ministerin will Ausbau

Was passiert wirklich, wenn es kracht? Die Polizei setzt auf digitale Spuren aus dem Auto – und die Innenministerin hat große Pläne.

Fünf Tote, ein zerstörtes Auto, viele offene Fragen: Nach einem schweren Verkehrsunfall in Hannover im August 2023 half ein Gerät aus dem Inneren des Fahrzeugs, das Geschehen zu rekonstruieren – die sogenannte Blackbox. Was bisher wie ein Begriff aus der Luftfahrt klang, ist längst auf der Straße angekommen.

Jetzt soll die digitale Auswertung von Fahrzeugdaten zum Standard in Niedersachsen werden. Innenministerin Daniela Behrens informierte sich bei der Polizeidirektion Hannover über das Projekt „Digitale Verkehrsunfallspuren“, das seit 2023 in Hannover und Hildesheim erprobt wird.

Blackbox im Airbag-Steuergerät

Kern des Projekts ist der Zugriff auf den sogenannten Event-Data-Recorder, der seit Juli 2024 in allen Neuwagen in der EU verpflichtend verbaut sein muss. Das Modul im Airbag-Steuergerät speichert entscheidende Sekunden rund um eine Kollision: Geschwindigkeit, Lenkwinkel, Gaspedalstellung und Bremsverhalten – vor und nach dem Zusammenstoß.

Beim tödlichen Unfall 2023 wurde genau diese Technik eingesetzt. Gerüchte über ein illegales Rennen kursierten rasch, doch die digitalen Spuren sprachen eine andere Sprache: Der Wagen war zu schnell – knapp 100 Kilometer pro Stunde bei erlaubten 70 –, aber Hinweise auf ein Rennen oder ein drittes Fahrzeug ergaben sich nicht. Die Polizei konnte das Strafverfahren einstellen.

Mehr Sicherheit durch Daten

Die Polizei sieht darin ein neues Werkzeug für präzisere Ermittlungen. „Je genauer wir die Ursachen für schwere und tödliche Unfälle ermitteln können, desto besser können wir sie verhindern“, sagte Behrens. Polizeipräsidentin Gwendolin von der Osten sprach von einem „Qualitätssprung für die Unfallaufnahme“.

Wie sich digitale Unfalldaten aus dem Steuergerät eines Fahrzeugs auslesen lassen, erklärten Verkehrsspezialisten der Polizei bei einer Präsentation. Die Ministerin nahm das passende Auslesegerät selbst in die Hand – das Einsatzfahrzeug stand daneben, symbolisch für die Praxisanwendung.

Landesweiter Einsatz ab 2026 geplant

Die Testphase des Projekts lief von April 2023 bis März 2024. Ab dem kommenden Jahr soll nun die Technik landesweit beschafft und Personal fortgebildet werden. Die Polizeidirektion Hannover soll künftig als zentrale Auswertestelle und Koordinierungseinheit für ganz Niedersachsen fungieren.

Ziel ist, dass die Sicherung digitaler Verkehrsunfallspuren ab 2026 zur Standardmaßnahme bei schweren Verkehrsunfällen wird – rechtssicher, effizient und datenbasiert.