Gedenkort auf Nordseeinsel: Gedenkstele erinnert auf Borkum an Leid von Kurkindern

Millionen Mädchen und Jungen wurden im Nachkriegsdeutschland wochenlang ohne ihre Eltern zur Kur in Kinderheime geschickt. Viele von ihnen erlebten Traumatisches – daran wird nun auf Borkum erinnert.

Mit einer neuen Erinnerungsstätte wird auf der ostfriesischen Insel Borkum an die Qualen Zehntausender Kurkinder erinnert. Die vom Frankfurter Bildhauer Friedhelm Welge gestaltete Gedenkstele solle an das erlittene Leid erinnern und zugleich Hoffnung stiften, teilte das Diakonische Werk Bremen mit.

Die Stele, die an diesem Mittwoch vorgestellt wird, steht auf dem Gelände des ehemaligen Adolfinenheims – einem Kinderkurheim, das bis 1980 von Diakonissen aus dem Diakonissenmutterhaus in Bremen geleitet wurde. Statt Erholung erlitten viele Kinder in solchen Heimen über Jahrzehnte in den Nachkriegsjahren körperliche und seelische Misshandlungen. 

Die Einweihung des Gedenkortes sei ein „Ausrufezeichen“ für gelungene Zusammenarbeit zwischen Betroffenen, Kirche, Gemeinde und Gesellschaft, sagte Uwe Rüddenklau, erster Vorsitzender der Initiative Verschickungskinder, einem Verein, der bundesweit für die Interessen aller Verschickungskinder arbeitet. „Dieses Treffen ist kein Punkt, sondern ein Komma in der Aufarbeitung“, betont er. Die Idee zur Erinnerungsstätte entstand 2021 nach Angaben der Diakonie durch die Initiative Verschickungskinder.

Was in den Heimen passierte

Insgesamt bestand das Adolfinenheim 75 Jahre zwischen 1921 und 1996. Schätzungen zufolge wurden 90.000 Mädchen und Jungen im Alter zwischen 2 und 14 Jahren aus vielen Teilen Deutschlands dorthin verschickt. Bundesweit sollen es zwischen acht und zwölf Millionen Kinder gewesen sein. Ziel dieser Kuren war es, die Kinder „aufzupäppeln“, da sie aus Sicht von Ärzten, Eltern oder Lehrkräften zu dünn, zu blass oder zu dick waren. 

Viele Betroffene berichten von körperlichen und seelischen Misshandlungen, etwa Redeverbot, Schlafzwang und Schikanen beim Essen. Gerade junge Kinder erlebten von ihren Familien getrennt in den Heimen eine lieblose Behandlung, Angst und Zwang. Viele kehrten traumatisiert zurück. 

Woran die Diakonie arbeitet

Die Bremische Evangelische Kirche und die Diakonie Bremen setzen sich nach eigenen Angaben seit 2019 aktiv für eine Aufarbeitung der Geschehnisse im Adolfinenheim ein. „Wir übernehmen die Verantwortung“, sagte Diakonie-Vorständin Karin Altenfelder in einer Mitteilung. Die Diakonie beauftragte dazu die Studie „Zwischen Erholung und Zwang. Kinderverschickungen in das Adolfinenheim Borkum (1921-1996)“, die 2023 veröffentlicht wurde. 

Das Schweigen zu brechen sei „ein erster Schritt der Aufarbeitung“ gewesen, so Altenfelder. „Mit diesem Gedenkort wollen wir nun Sichtbarkeit schaffen – des Leides und der Schuld. Wir setzen inzwischen alles daran, Kirche und Diakonie zu sicheren Orten zu machen.“ Die Borkumer Erinnerungsstätte soll allen offen stehen – ehemaligen Verschickungskindern, Angehörigen und der Borkumer Bevölkerung.