Brandstiftungen: Urteil für vierfachen Solinger Feuermord erwartet

Dem geständigen Solinger Daniel S. droht wegen vierfachen Mordes und Mordversuchen an 20 Menschen die Höchststrafe. An diesem Mittwoch dürfte damit ein spektakulärer Prozess enden.

Im Prozess um den vierfachen Feuermord von Solingen wird an diesem Mittwoch das Urteil erwartet. Der Staatsanwalt hatte am Montag die Höchststrafe für den geständigen Angeklagten beantragt: lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung. Mehrere Nebenkläger haben sich dem angeschlossen. Weitere werden noch plädieren – ebenso wie die Verteidigung des Solingers.

Der 40-Jährige hatte den vierfachen Mord, weitere Brandstiftungen in Wohnhäusern und eine Macheten-Attacke auf einen langjährigen Freund gestanden. Damit nähert sich ein spektakulärer Prozess dem Ende. Trotz des raschen Geständnisses kamen immer wieder neue Wendungen ans Licht. Die Polizei musste umfangreich nachermitteln.

Zweifel am behaupteten Motiv

Vor allem die Zweifel am behaupteten Motiv des 40-Jährigen nahmen im Prozessverlauf zu. Nebenklage-Vertreterin Seda Başay-Yildiz brachte in den vergangenen Monaten durch eigene Recherchen einiges ans Licht, dass auf eine rechte Gesinnung des Angeklagten deutete: Ein Zettel mit einem rassistischen Gedicht in einer vom Angeklagten genutzten Garage, ein rassistischer Chat mit seiner Freundin und 166 rechtsextreme Dateien auf einer Festplatte, von denen nicht klar ist, wem sie zuzurechnen sind.

In einer leerstehenden Wohnung des Hauses, in dem der Angeklagte wohnte, wurde Literatur über NS-Größen gefunden. Für die Staatsanwaltschaft sind das alles „Spekulationen ohne echten Beweiswert“, schließlich seien in der Garage etwa auch Materialien der eher links zu verortenden Satirepartei „Die Partei“ entdeckt worden. 

Das digitale Leben des Angeklagten sei zehn Jahre rückwirkend durchleuchtet worden, ohne Kontakte zu rechten Gruppen oder Hinweise auf eine stille Radikalisierung zu entdecken.

Bei dem tödlichen Feuer am 25. März 2024 starb in Solingen eine bulgarische Familie im Dachgeschoss – die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten. Mehrere Menschen wurden bei verzweifelten Sprüngen aus dem brennenden Haus schwer verletzt. Der Angeklagte wohnte selbst früher im Hinterhaus des Brandhauses. Nach einem Streit mit seiner Vermieterin musste er ausziehen. 

Der Mann mit dem Rucksack

Aufnahmen aus Überwachungskameras hatten die Ermittler auf die Spur des 40-Jährigen gebracht: Sie hatten den früheren Mieter in der Brandnacht gleich mehrmals in der Nähe des Brandhauses mit Rucksack aufgezeichnet – als einzigen in der fraglichen Zeit. 

Die Ermittler hatten bereits einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung beantragt, als sich in Solingen am 8. April 2024 ein weiteres unheimliches Verbrechen ereignete: Mit einer Machete und zwei wuchtigen Hieben hatte der Deutsche auf den Kopf eines Freundes eingehackt. Das Opfer überlebte lebensgefährlich verletzt.

Im Keller des Arbeitslosen fanden die Ermittler dann ein Arsenal aus Brandbeschleunigern und Utensilien für Zünder. Die Anklage legt Daniel S. auch noch zwei ältere Brandstiftungen zur Last – im November 2022 und im Februar 2024. In beiden Fällen hielten sich zur jeweiligen Tatzeit Menschen in den Wohnhäusern auf. Deswegen könnte er für Mordversuche an insgesamt 20 Menschen verurteilt werden. 

Zwei weitere Taten?

Während des Prozesses geriet Daniel S. sogar noch für zwei weitere Brandstiftungen in Verdacht, die nicht Teil der Anklage sind. So soll er nach einem Streit mit einem marokkanischen Nachbarn im Wohnhaus seiner Freundin in Wuppertal Feuer gelegt haben, kurz nachdem diese ausgezogen war. Auch das Auto einer Ex-Freundin wurde Ziel eines Brandanschlags.

Die Ermittlungen zum Feuer im Wuppertaler Wohnhaus waren mit der vermeintlichen Brandursache „technischer Defekt“ schnell eingestellt worden, obwohl an zwei Stellen im Haus gleichzeitig Feuer ausgebrochen war. Inzwischen geht ein Gutachter von einem Brandanschlag aus. Gegen Daniel S. wird deswegen inzwischen gesondert ermittelt. 

Tränen im Gerichtssaal

Beim Prozessbeginn trugen die Angehörigen im Gerichtssaal schwarze T-Shirts mit dem Foto der ermordeten Familie und dem Schriftzug „Adalet“, türkisch für „Gerechtigkeit“. Es flossen immer wieder Tränen.