Zu Hause in Oslo reißt der Skandal um ihren Halbbruder Marius Borg Høiby nicht ab. Vielleicht ist Prinzessin Ingrid Alexandra bis nach Australien gezogen, um ihm zu entkommen.
Sydney also, die Stadt mit der berühmten Oper und dem schönen Hafen, der nach Freiheit aussieht und nach Durchatmen. Viel weiter weg hätte sie kaum gehen können, um Zeit im Ausland zu verbringen, wie es ihr Vater in ihrem Alter auch gemacht hat: Ingrid Alexandra, norwegische Prinzessin und zweite der Thronfolge, studiert jetzt in Australiens Metropole – eine Weltreise entfernt von zu Hause.
Dort war es zuletzt nicht besonders gemütlich: Der Fall Marius Borg Høiby liegt wie ein Schatten über der Königsfamilie. Ingrid Alexandras Halbbruder werden 23 mutmaßliche Straftaten vorgeworfen, darunter schwere Sexualdelikte, wie die Polizei in Oslo Ende Juni bekannt gab, als sie ihre Ermittlungen abgeschlossen hatte. Nun entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob Anklage gegen ihn erhoben wird.
Marius Borg Høiby ist der älteste Sohn von Kronprinzessin Mette-Marit. Sein Fall bestimmt in Norwegen die Schlagzeilen, seit im August 2024 erste Vorwürfe gegen ihn aufkamen, bei denen es um Körperverletzung und Sachbeschädigung ging. Er gab damals zu, unter Alkohol- und Kokaineinfluss gegenüber seiner damaligen Freundin gewalttätig geworden zu sein. Er kämpfe schon länger mit psychischen Problemen und Drogen.
Ihm droht eine Anklage: Ingrid Alexandras Halbbruder Marius Borg Høiby, hier 2019 mit seiner damaligen Freundin Juliane Snekkestad bei einer Filmpremiere
© Rune Hellestad
Das dürfte seiner Familie bekannt gewesen sein; dass das Thema dann aber von morgens bis abends durch die Presse ging (der Boulevard in Norwegen kann sehr gnadenlos sein), wird es für Ingrid-Alexandra, ihre Eltern und ihren jüngeren Bruder Sverre Magnus kaum einfacher gemacht haben. Ob ihr da der Gedanke an einen Ausflug ins Ausland gekommen ist?
Im Mai gab das Königshaus bekannt, dass Ingrid Alexandra nach Sydney gehen werde, für ein dreijähriges Bachelorstudium in internationalen Beziehungen und politischer Ökonomie. Das ist bei den Norwegern nicht neu, auch ihr Vater Kronprinz Haakon zog nach seiner Militärausbildung ins Ausland – zum Studium der Politikwissenschaft an der Universität von Berkeley in Kalifornien, wo er seinen Bachelor ablegte.
Ingrid Alexandra kommt ganz nach ihrem Vater
Das Studium ist die letzte „freie“ Zeit, bevor das Repräsentieren für die Krone beginnt. Sie in der Ferne zu absolvieren, macht es nur leichter – man ist nicht so im Fokus; was in Norwegen ja gerade bedeutet: da, wo Marius Borg Høiby ist.
„Sie hat dort einige der schönsten Jahre vor sich. Wir sind so stolz und freuen uns darauf, ihre Erlebnisse in Australien zu verfolgen“, sagt Ingrid Alexandras Mutter, Mette-Marit. Die hat sich zeit ihres royalen Lebens kaum etwas zuschulden kommen lassen und gilt als überaus beliebt beim Volk. Haakon, Mette-Marit und die beiden gemeinsamen Kinder bilden eine hübsche Familie, bei der die Tochter aussieht wie der Vater und der Sohn wie die Mutter. Und alle schön zum Nationalfeiertag winken.
Winke, winke! Ingrid Alexandra mit ihrem Bruder Sverre Magnus (l.), ihrer Mutter Mette-Marit (2.v.l.) und ihrem Vater Haakon (r.) im Mai beim norwegischen Nationalfeiertag
© Per Ole Hagen
Marius Borg Høiby, den Mette-Marit mit in die Ehe brachte, war da in den vergangenen Jahren außen vor: Er wollte keine offiziellen Aufgaben, überließ die royalen Auftritte seinen Halbgeschwistern. Ingrid Alexandra hat gerade ihren Militärdienst absolviert; das gehört dazu, wenn man eines Tages den Thron besteigen will. Dafür war sie 15 Monate lang in Tromsø im Norden Norwegens und ließ ihren Freund Magnus, einen Studenten, in der gemeinsamen Wohnung im Osloer Junge-Leute-Viertel Grünerløkka zurück. Dort lebten auch Haakon und Mette-Marit, ehe sie heirateten und in ein Apartment im Palast zogen.
Seit 2003 ist Gut Skaugum ihr Zuhause, ein Anwesen im idyllischen Asker, 25 Kilometer von Oslo entfernt. Dass es dort hinter den königlichen Mauern mit Mette-Marits Erstgeborenem vermutlich nicht immer ganz harmonisch ablief, ahnten die Norweger kaum; sie schienen im vergangenen Sommer aus allen Wolken zu fallen, als Marius zum Skandalfall wurde. Das Krisenmanagement des Palastes brauchte eine Weile, um in Gang zu kommen, so perplex schienen sie bei Hofe.
Inzwischen produzieren sie wieder schöne Bilder
Geschichten solchen Ausmaßes sind sie in Norwegen nicht gewohnt. Dass Prinzessin Märtha Luise, die Schwester von Haakon, dabei war, ihren Freund Durek Verrett zu heiraten, einen selbst ernannten Guru und Heiler, der meint, man bekäme Krebs nur auf eigenen Wunsch, damit konnten sie gerade noch umgehen. Aber dass der Sohn der Kronprinzessin Frauen gegenüber gewalttätig sein soll? Die Royals schienen planlos, sagten erst mal nichts, was es nur noch schlimmer machte.
Inzwischen haben sie sich gefangen. Und produzieren schöne Bilder. Ingrid Alexandra war jetzt kaum in Sydney angekommen, da wurden schon Fotos von ihr bei Instagram gepostet. Vor der berühmten Oper und auf dem Campus. Sie sah aus wie eine 0815-Studentin in weiter Jeans und dunkelblauem Pullover. Die Prinzessin wohnt im Studentenwohnheim; ganz normal wie alle. „Ich freue mich darauf, mein Studium an der Universität Sydney zu beginnen“, wird sie zitiert. Das werde spannend und sie sei sich sicher, „dass ich viel lernen werde“.
Zwischen Oslo und Sydney liegen 16.000 Kilometer und acht Stunden Zeitunterschied. Ingrid Alexandra ist weit genug weg, um nicht permanent an die Sorgen zu Hause zu denken. Vermutlich wird es nicht lange dauern, und jemand aus der Familie kommt sie besuchen. Für eine kleine Auszeit von daheim.