Der Zoll-Deal mit Donald Trump sei schlecht, sagt der EU-Handelspolitiker Bernd Lange. Die Europäer hätten früher und härter auf seine Zölle reagieren müssen, findet er.
Herr Lange, auf der Plattform X schreiben Trump-nahe Accounts, die EU sei vor den USA auf die Knie gegangen. Stimmt das?
Es ist eine Frage der Verhandlungstaktik. Ich wäre stärker und selbstbewusster rangegangen. Diese Linie hatten auch einige Mitgliedsstaaten und einige in der Kommission vertreten. Insbesondere, als Donald Trump die Stahlzölle noch während der Verhandlungen verdoppelt hat, hätten wir die erste Stufe an Gegenmaßnahmen in Kraft setzen müssen – um zu zeigen, dass wir uns nicht in die Knie zwingen lassen. Die Kommissionspräsidentin hat das anders gesehen und jetzt haben wir einen schlechten Deal als Ergebnis.
Nach der Einigung am Sonntagabend in Schottland scheinen viele ähnlicher Meinung zu sein. Es heißt, die EU habe sich demütigen lassen oder vor Trump kapituliert. Warum kommen wir so schwach rüber?
Auch hier ist die Strategie das Problem. Ich kann Ursula von der Leyen nicht ganz nachvollziehen. Nach außen stellt ihr Verhalten den Eindruck der absoluten Schwäche her. Wenn sie jetzt sagt, das sei ein guter Deal oder wir müssten das US-Handelsdefizit ausbalancieren, da frage ich mich: Hat sie die gesamte wirtschaftliche Situation im Blick? Oder ist es nur ein Versuch, Stimmung bei Trump zu machen? Wenn sich der stärkste Handelspartner der USA so hingibt, was soll dann ein Land wie Brasilien machen?
Hätte die EU gleich zu Beginn Gegenzölle verhängen sollen, so wie China?
Nicht von Anfang an. Ich glaube, der Punkt war wirklich, als Trump die Stahlzölle von 25 Prozent auf 50 Prozent setzte, mitten in den Verhandlungen. Was für eine Art und Weise ist das? Ich war selbst in Washington und einen Tag später kam diese Nachricht. Da hatten wir schon einige Punkte auf den Weg gebracht. Das ist nun wirklich keine Art, da hätte man klare Kante zeigen müssen.
Stattdessen einigten sich die EU-Staaten erst vergangene Woche auf eine vorbereitete Liste mit Gegenmaßnahmen.
Ich denke, in dieser Situation hatten viele bereits Angst vor einem noch schlechteren Deal. Man hat das Beispiel Japan gesehen, wo 90 Prozent der Investitionsgewinne in die USA fließen müssen. Als das auf dem Tisch lag, ging bei allen plötzlich die rote Lampe an.
Verhandelt hat vor allem Handelskommissar Maroš Šefčovič. 2018 hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst die Sache in die Hand genommen. Hätte Ursula von der Leyen das Thema zur Chefsache machen sollen?
Vielleicht. Die US-Verhandler waren sehr vorsichtig, was sie dem Präsidenten vorlegen. Alle dort buhlen um Trumps Gunst und wollten kein Risiko eingehen, seine Zuneigung zu verlieren. Zusätzlich soll Trump viele Entscheidungen alleine treffen. Auf der anderen Seite schien es, als wollte er anfangs nicht so gerne mit Ursula von der Leyen verhandeln, weil er sie für zu dicht an dem vorherigen Präsidenten Biden hielt. Trotzdem wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen, wenn gleich das oberste Level miteinander gesprochen hätten.
Neben der Einigung auf 15-Prozent Zölle für die meisten EU-Güter geht es auch um den Kauf von Energie und Investitionen in Höhe von 600 MIlliarden Euro. Wie genau werden diese aussehen?
Das ist noch unklar. Bei der Energie kann die EU natürlich den Kauf von LNG koordinieren. Aber Investitionen sind privatwirtschaftlich, das geht nur indirekt über Bürgschaften, Subventionen oder Exportanreize. Die fehlen dann hierzulande und schaffen stattdessen Arbeitsplätze in den USA. Das wird eine erhebliche Belastung.
Immer wieder ging es in den Verhandlungen auch um die Regulierung der Digitalkonzerne. Gab es dabei auch Zugeständnisse seitens der EU?
Keine, von denen ich weiß. Ich sehe allerdings kritisch, dass Donald Trump gestern stark die Lebensmittelstandards betont hat. Ich hoffe, dort passt sich die EU nicht an die USA an. Im digitalen Bereich habe ich nichts gehört – das ist vielleicht einer der positiven Aspekte des Deals.
Wenn wir schon beim Positiven sind: Die Befürworter betonen, die deutschen Unternehmen hätten nun endlich Planungssicherheit.
Das mag stimmen. Der Deal ist nicht schön, aber immerhin ist das Hin- und Her zu Ende. Nur haben wir dafür keine Garantie – und ich fürchte, bei Trump ist die auch nicht zu bekommen. Man muss sehen, wie das Papier am Ende aussieht, aber zuvor wollten die USA keine Stillstandsklausel unterschreiben.
Sehen Sie denn irgendeine Chance für die EU, aus diesem Abkommen etwas Positives zu schlagen?
Außer der möglichen Planungssicherheit – ehrlich gesagt nicht.