Thüringer Exporte: Zollstreit: Für Thüringer Ministerin ein bitteres Ergebnis

Die Gefahr eines Handelskriegs zwischen den USA und der EU ist zwar abgewendet, aber der Kompromiss im Zollstreit wird in Thüringen kritisch gesehen.

Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John (CDU) sieht den Kompromiss im Zollstreit zwischen den USA und der EU kritisch. Sie bezeichnete die Einigung in Erfurt als „sauren Apfel, in den die EU beißen musste, um einen Handelskrieg abzuwenden“. Das Ergebnis sei bitter und werde gerade die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen. 

Zumindest gebe es jetzt eine gewisse, wenn auch teuer erkaufte, Planungssicherheit für die Unternehmen, sagte Boos-John. Mit Skepsis, aber auch einer gewissen Erleichterung reagierten Thüringer Wirtschaftsorganisationen. 

USA wichtigster Handelspartner für Thüringen 

Die USA sind mit großem Abstand das wichtigste Exportland für Thüringer Unternehmen. Laut früheren Angaben des Wirtschaftsministeriums belief sich das Handelsvolumen Thüringens mit den USA im vergangenen Jahr auf etwa 2,8 Milliarden Euro: Waren für knapp 2,2 Milliarden Euro exportierte Thüringen, Waren für 625 Millionen Euro wurden importiert. 

US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten sich auf einen Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe in die USA geeinigt. Das gilt laut von der Leyen auch für die Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Die Einigung schaffe zudem einen Rahmen für die zukünftige Senkung der Zölle auf weitere Produkte.

Nach den Worten des Präsidenten des Verbandes der Wirtschaft, Hartmut Koch, ist es „zunächst nicht so schlimm wie befürchtet, doch es bleibt ein fragiler Deal“. Die europäische Automobilbranche profitiere von einer deutlichen Zollsenkung im Vergleich zu den US-Zöllen von 27,5 Prozent, die seit April galten: „Das wirkt sich auch auf die Thüringer Automobilzulieferer aus.“

„Ein wenig Luft verschafft“ 

Aus Sicht des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Erfurt, Peter Zaiß, verschafft der Kompromiss den Exportfirmen ein wenig Luft: „Weitere Einbrüche im Exportgeschäft mit dem wichtigsten Handelspartner Thüringens können wir uns nicht leisten.“

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte in der Folge nach einer Schnellanalyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) um 0,15 Prozent oder 6,5 Milliarden Euro sinken. Details und offene Fragen der Einigung müssten nun schnell geklärt und die Vereinbarung dann noch von den 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

Minus bei Thüringer Exporten im Mai 

Klärungsbedarf gebe es unter anderem bei der Laufzeit der Einigung. Sie erwarte, dass weitere Zolldrohungen mit der Einigung endgültig vom Tisch seien, sagte Boos-John. Getroffen werden müssten sektorale Regelungen – etwa für Halbleiter, Arzneimittel oder Stahl und Aluminium: „Die EU sollte hier ihr gesamtes wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale werfen, um weitere Benachteiligungen für die europäischen und deutschen Exporteure zu verhindern.“

Nach ihrer Einschätzung sind viele europäische Hersteller etwa im Maschinenbau oder Pharmabereich aufgrund ihrer starken Marktposition in der Lage, höhere Einfuhrzölle zumindest teilweise an die amerikanischen Verbraucher weiterzugeben. Nicht nur die Europäer, sondern auch die Amerikaner seien Verlierer solchen Handelsbarrieren. 

„Aus meiner Sicht muss der Abbau aller Zollschranken zwischen Nordamerika und Europa im Rahmen eines echten Freihandelsabkommens das langfristige Ziel der europäischen Außenhandelspolitik bleiben“, sagte Boos-John. 

Das Thüringens Exportvolumen in die USA ging im Mai im Vergleich zum April um rund 15 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Mai 2024 betrug das Minus nach Daten des Statistischen Landesamtes etwa 8 Prozent.