Musikfestival gegen Rechts: Rechtsstreit um Jamel-Festival geht in nächste Runde

Das Musik- und Demokratie-Festival „Jamel rockt den Förster“ findet erstmals als Versammlung statt. Das hat möglicherweise Auflagen der Ordnungsbehörden zur Folge, über die heftig gestritten wird.

Der Streit um versammlungsrechtliche Auflagen für das Festival „Jamel rockt den Förster“ geht in die nächste Runde. Der Landrat des Landkreises Nordwestmecklenburg, Tino Schomann (CDU), kündigte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Greifswald gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin zugunsten der Veranstalter an. 

Die zusätzlich vorgebrachten Begründungen für die geplanten Schutzmaßnahmen seien nicht gewürdigt worden. „Das Gericht hat heute uns gegenüber schriftlich bestätigt, dass unsere Verwaltungsakte nicht gelesen wurde. Ich finde, dass dies ein unglaublicher Vorgang ist“, erklärte Schomann. Dass zentrale präventive Auflagen aufgehoben wurden, sei unverantwortlich. Der Landrat forderte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die auch Schirmherrin von „Jamel rockt den Förster“ sei, auf, für Aufklärung zu sorgen, um so das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen. 

Gefordertes Alkoholverbot abgelehnt

Das Gericht in Schwerin hatte am Mittwoch entschieden, dass das Festival in Jamel, eine der populärsten Musikveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechtsextremismus, weitestgehend so stattfinden könne, wie in den Jahren zuvor. Auflagen wie ein Alkoholverbot, das Verbot von Glasflaschen oder die Bereitstellung von deutlich mehr Ordnungskräften wurden auf Antrag der Veranstalter zurückgewiesen. 

Doch müssen sie der Polizei, die das Festival auf dem alten Forsthof wegen der räumlichen Nähe zu bekennend rechtsextremen Dorfbewohnern alljährlich mit einem Großaufgebot begleitet, die auftretenden Musiker, Bands und Redner vorab melden. Die Namen werden vor der Öffentlichkeit sonst bis zum Schluss geheim gehalten.

Richter verweisen auf den stets friedlichen Verlauf des Festivals 

Wie ein Sprecher des Gerichts sagte, habe nicht hinreichend belegt werden können, dass mit dem Ausschank alkoholischer Getränke eine unmittelbare Gefahr für Ordnung und Sicherheit in Jamel einhergehe. Für Sicherheitsgefahren durch den Konsum von Alkohol fehle es an eindeutigen Referenzfällen oder sonstigen Prognosegrundlagen, hieß es in einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung. 

Gleiches gelte für die befürchtete Verwendung von Flaschen als Waffe. Das Gericht verwies dabei auf „gerichtsbekannte und offenkundige Erfahrungen der Vorjahre und die Verwendung von Glasbehältern vor allem durch die Teilnehmer des „Demokratiecamps““ im Rahmen des Forst-Rock-Festivals. Dabei sei es stets friedlich zugegangen. Das Gericht habe keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass dies in diesem Jahr anders sei, sagte der Sprecher.

Heftige CDU-Kritik – Verdacht politischer Einflussnahme 

Der CDU-Kreisverband Nordwestmecklenburg reagierte mit scharfer Kritik auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts und äußerte den Verdacht politischer Einflussnahme. Ausführlich begründete Verwaltungsakten des Landkreises seien ignoriert, auf fundierte Gefahrenprognosen sei verzichtet und die Entscheidung noch vor Fristablauf getroffen worden, heißt es in einer Mitteilung der CDU. 

Und weiter: „Das Vorgehen des Verwaltungsgerichts erweckt den Eindruck, als habe die politische Leitung des Landes, namentlich die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, über öffentliche Erwartungshaltungen oder indirekte Signale eine Vorfestlegung der gerichtlichen Entscheidung begünstigt. Es ist nicht das erste Mal, dass gerichtliche Entscheidungen auffällig nah an die politische Interessenlage und Symbolpolitik der Landesregierung heranreichen.“

SPD weist Richterschelte zurück 

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Julian Barlen, wies die Vorwürfe Schomanns und der CDU zurück. „Es ist eine inakzeptable Form der Richterschelte und ein gefährlicher Angriff auf unsere unabhängige Justiz. Wer so agiert, beschädigt das Vertrauen in den Rechtsstaat – auch das spielt den Feinden unserer Demokratie in die Hände“, erklärte Barlen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin in einem Eilverfahren sei rechtsstaatlich erfolgt.

In Jamel versuchten verurteilte Neonazis schon lange, den Ort zu vereinnahmen. „Die Lohmeyers setzen mit ihrem Festival ein starkes Zeichen für Zivilcourage dagegen. Jamel ist weit mehr als ein Festival – es ist ein bundesweites Symbol für den Mut, sich gegen Rechtsextremismus zu stellen“, betonte der SPD-Politiker. Dieses Engagement verdiene breite Unterstützung, statt den Initiatoren Steine in den Weg zu legen.

Pachtforderung als Auslöser des Konflikts 

Der Rechtsstreit geht auf eine Entscheidung der Gemeinde Gägelow zurück, zu der Jamel gehört. Nach jahrelanger kostenfreier Nutzung zweier gemeindeeigener Flächen als Parkplätze forderte die Gemeinde nun erstmals eine Pacht von knapp 8.000 Euro. Um das zu umgehen, meldeten die Veranstalter eine länger andauernde Versammlung an. Das hatte zur Folge, dass sich der für das Versammlungsrecht zuständige Landkreis einschaltete und zahlreiche Auflagen, unter anderem ein Alkoholverbot, in Erwägung zog. 

Das Musik- und Demokratiefestival „Jamel rockt den Förster“ wurde 2007 von dem aus Hamburg stammenden Ehepaar Horst und Birgit Lohmeyer ins Leben gerufen. Das Paar sieht sich seit seinem Umzug in das von Rechtsextremisten dominierte Dorf Anfeindungen ausgesetzt und setzt sich unter anderem mit dem Festival zur Wehr. Im vergangenen Jahr traten unter anderem die Fantastischen Vier und Olli Schulz auf. Zum diesjährigen Festival am 22. und 23. August werden erneut renommierte Musiker erwartet. 

Für den Konzertbesuch wird Eintritt verlangt. Die Kartennachfrage ist stets größer als die Platzkapazität.