Stars, Sternchen und Glamour vor der Alpenkulisse? Oder Wagnerklang in der fränkischen Provinz? Ein kleiner Guide, ob Salzburg oder Bayreuth den spannenderen Festspielsommer bietet.
Sanftes fränkisches Hügelland oder Alpenkulisse? Wagner oder Wiener Philharmoniker und der „Jedermann“? Bier oder Prosecco? Bratwurst oder Mozart-Kugeln? Der Festspielsommer bietet jedes Jahr für die Anhängerschaft der Hochkultur im deutschsprachigen Raum die Wahl zwischen zwei der berühmtesten Festivals der Welt – Bayreuth oder Salzburg.
Worum geht’s?
Diese Frage ist zumindest für Bayreuth recht schnell zu beantworten: um Richard Wagner (1813-1883). Er hat die Bayreuther Festspiele ins Leben gerufen, ließ mit Unterstützung des Bayernkönigs Ludwig II. ein Festspielhaus am Stadtrand errichten. Aufgeführt wird dort alljährlich im Sommer ausschließlich ein festgelegter Kanon von Wagners Opern, Ausnahmen sind sehr selten. Überraschungen, Neuerungen? Nur dosiert. Intendantin Katharina Wagner führte immerhin eine Kinder-Oper und Open Airs im Festspielpark ein.
Die Salzburger Festspiele sind keinem Künstler, sondern einer Idee gewidmet: Kurz nach dem Ersten Weltkrieg wollten sie die Rolle von Kunst und Kultur in einer erschütterten Welt als heilsames Gegenbild etablieren. Zu den Gründern zählten 1920 der Dramatiker Hugo von Hofmannsthal und der Regisseur Max Reinhardt. Das Festival gilt als Fest des Geistes. Mit dem Theaterstück „Jedermann“ – einer Moralpredigt in Reimen aus Anlass des Sterbens eines reichen Mannes – rückt zu Beginn der Festspiele alljährlich eine zentrale Frage in den Mittelpunkt: „Was ist der Sinn des Lebens?“
Promi-Faktor
Salzburg bietet eine hohe Promidichte. Ähnlich wie in Bayreuth zählte Ex-Kanzlerin Angela Merkel zu den Stammgästen. Die Mitglieder der österreichischen Regierung nutzen gern die Gelegenheit, Amtskollegen oder Amtskolleginnen einzuladen. 2017 war der französische Präsident Emmanuel Macron in Salzburg, 2018 die damalige britische Premierministerin Theresa May. 2020 war Wladimir Putin eingeladen, doch die Corona-Pandemie durchkreuzte die Pläne zum Besuch des damals noch hofierten russischen Präsidenten. Unter den Royals ragt das schwedische Königspaar heraus, das die Festspiele öfter besucht hat. Auch Milliardäre wie der Industrielle Reinhold Würth sind zu Gast – und in seinem Fall Sponsor zugleich.
In Bayreuth wird der rote Teppich zum Auftakt inzwischen vor allem für die Politik ausgerollt. Angela Merkel ist regelmäßiger Gast in Bayreuth. In diesem Jahr hat sich Kanzler Friedrich Merz (CDU) angesagt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist eh immer da. Viel Applaus bekommt stets der frühere Showmaster Thomas Gottschalk, weil er aus dem benachbarten Kulmbach stammt. 1987 schaute auch einmal der heutige britische König Charles vorbei, 2017 das schwedische Königspaar Silvia und Carl Gustaf.
Glamour und Rituale
Salzburg ist bis Ende August einerseits Treffpunkt der Reichen und Schönen, andererseits können Besucher auch ohne Karten und ohne Geld Festspielluft schnuppern. Das dreitägige Fest zur Eröffnung bietet Musik, Theater und Lesungen. Während des Festivals gibt es ein Public Viewing. Open Air werden in diesem Jahr die aktuellen Inszenierungen von „Maria Stuarda“, „Giulio Cesare in Egitto“ sowie vom „Jedermann“ gezeigt. Außerdem sind historische Aufführungen zu erleben wie der „Don Giovanni“ von 1954 oder „Carmen“ von 1967.
Wer eine Karte für Theater, Oper oder Konzert hat, sollte sich an den festlichen Dresscode halten. Tracht gilt als salonfähig. Die Ansprüche ans Verhalten sind hoch. Es gab schon Szenen, in denen ältere Besucherinnen vom „Untergang des Abendlandes“ sprachen, weil ein Gast sich mit dem Rücken an ihnen vorbei zwängte.
Bayreuth lebte viele Jahrzehnte von einer fast schon religiösen Verehrung für den Meister und sein Werk. Man pilgerte zum Grünen Hügel. Man hielt sich an Rituale und Gebräuche. Man studierte vorher die Partitur oder zumindest das Libretto via Reclam-Heftchen. Glamour war zweitrangig, Abendrobe gehörte schlichtweg zur Etikette und wenn im dritten Aufzug der „Götterdämmerung“ der Schweiß floss, war die Lippenstiftfarbe eh egal. Inzwischen scheint die Zahl der eingefleischten Wagnerianer zurückzugehen, es ist ein bisschen lockerer geworden rund ums Festspielhaus. Beim Festspiel-Open-Air darf man bei Isoldes Liebestod im Park picknicken.
Ladenhüter oder begehrte Tickets?
Tickets für Bayreuth waren früher sehr begehrt, man musste oft Jahre warten. Inzwischen kann man im Online-Shop auch noch kurze Zeit vor dem Beginn Resttickets kaufen. Ticketpreise sind in der Regel dreistellig, einige wenige Kategorien sind auch unter 100 Euro zu haben. Dafür gibt es einen recht unbequemen Platz in einem Haus, das keine Klimaanlage hat – was bei 30 Grad Außentemperatur eine ganz spezielle Herausforderung ist.
In Salzburg wurden für die 174 Vorstellungen etwa 220.000 Karten aufgelegt. Der „Jedermann“ ist ausverkauft. Das liegt wohl auch an der vielfach gefeierten Inszenierung vom Vorjahr, die in diesem – und wohl auch in den nächsten Jahren – erneut aufgeführt wird. Die Ticketpreise variieren extrem. Die Hälfte aller Karten kostet zwischen 5 und 115 Euro. Das gilt zum Beispiel für Jugendkarten, die bis zu 90 Prozent ermäßigt sind. Wer einen Spitzenplatz ergattern will, muss teils mehr als 400 Euro zahlen.
Festivalflair in der Stadt
Salzburg ist in vielerlei Hinsicht ein Traum als Festspielstadt. Die Kulisse ist großartig. Die pittoreske Altstadt, der Domvorplatz als Bühne wohl einmalig, und wer die Stadt und das Umland vom nahen Gaisberg von oben betrachtet, könnte denken: Walt Disney hat Stadt und Berge kreiert. Die Wege zu den Spielstätten – Ausnahme Pernerinsel in Hallein – sind kurz. Es ist stressfrei, noch Essen zu gehen und dann zur Aufführung zu schlendern. Wer aber spätabends oder gar um Mitternacht noch einkehren will, muss lange suchen. Die Bürgersteige werden recht bald hochgeklappt.
In Bayreuth werden zwar allerlei Länderflaggen in den Straßen gehisst und die Beete in den Verkehrsinseln neu bepflanzt – ihren Charakter behält die nüchterne, protestantisch geprägte Stadt auch in den Festspielwochen bei. In der Fußgängerzone locken keine Luxusboutiquen die zahlungskräftige Festspielkundschaft. Es werden dort weiterhin Bratwürste verkauft – am Grünen Hügel übrigens auch, wenngleich natürlich ungleich teurer. Deshalb haben kostenbewusste Wagnerianer für die Pausenverpflegung im Kofferraum des geparkten Autos auch stets eine Kühlbox dabei.
Die Kunst und ihr Anspruch
Die Konzentration allein auf Wagner-Opern lässt Bayreuth wenig Spielraum, erlaubt aber ein gewisses Selbstbewusstsein: „Die Bayreuther Festspiele haben als einzigartige Wagner-Festspiele eine herausragende kulturelle Stellung“, sagte Intendantin Wagner kürzlich dem „Nordbayerischen Kurier“. Darüber, ob Bayreuth wirklich noch das Maß aller Wagner-Dinge ist, streitet die Kritik schon lange. Fakt ist: Vor allem beim Gesang und beim Dirigat reist das Spitzenpersonal immer noch nach Bayreuth und sorgt für außergewöhnliche Momente – wie etwa Dirigentin Simone Young und Sängerin Catherine Foster beim „Ring“. Oder Christian Thielemann, der in diesem Jahr ein Comeback auf dem Grünen Hügel feiert.
Salzburg hat keine Probleme, die Stars der Szene zu bekommen. In diesem Jahr sind unter anderem dabei: Der Dirigent Teodor Currentzis, Oscar-Preisträger Christoph Waltz als Sprecher in der Strawinsky-Oper „Oedipus Rex“, Tenor Jonas Kaufmann und die litauische Sopranistin Asmik Grigorian, die bei Liederabenden auftreten.
Auch Anna Netrebko gehörte immer wieder zu den Stars in Salzburg. Der Anspruch in Salzburg ist sehr hoch, gilt es doch, den Ruf als eines der weltbesten Festivals für klassische Musik, Oper und Schauspiel zu verteidigen. Die Festspiele verstehen sich als kulturelles Gesamtkunstwerk.