Beim ARD-Sommerinterview wendet Alice Weidel eine Taktik an, um Fragen nicht zu beantworten. Mehrfach bleibt die AfD-Vorsitzende die Antwort ganz schuldig.
Es war ein schwieriges Gespräch, was Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, am Sonntag mit der AfD-Chefin Alice Weidel führte. Schwierig, weil eine Gruppe von Gegendemonstranten, die sich gegenüber vom Studiosender platziert hatte, mit Sprechchören und lauter Musik teils so störte, dass sich Interviewer und Interviewte mitunter akustisch kaum verstanden.
Schwierig war es aber auch inhaltlich. Denn befragt nach dem Extremismusverdacht, unter dem die AfD steht, wollte sich Weidel auch auf mehrfache Nachfrage nicht klar zum deutschen Rechtsstaat bekennen.
Ungefähr nach 20 Minuten hatte Moderator Preiß einen Bericht eingespielt, in dem der brandenburgische Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck bei einer Veranstaltung über die deutsche Staatsbürgerschaft sagte: „Wir müssen auch wieder entscheiden dürfen, wer überhaupt zu diesem Volk gehört und wer nicht. Es gehört mehr dazu, Deutscher zu sein als einfach nur eine Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben.“ Gnauck war der letzte Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA), die sich inzwischen aufgelöst hat.
Es seien genau solche Aussagen, weshalb der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufe, hieß es dazu im Einspieler. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die AfD sich gegen die Einstufung juristisch wehrt. Bis zu einem Gerichtsurteil darf der Verfassungsschutz die Bezeichnung nicht öffentlich wiederholen.
Die AfD rechtsextremistisch? „Völliger Quatsch“
Von Moderator Preiß mit den Vorwürfen konfrontiert, antwortete Weidel mit der klassischen Gegenargumentation der AfD, der Verfassungsschutz sei eine „politische“ Organisation. „Das Label ‚gesichert rechtsextrem‘ lehne ich sowieso ab“, sagte Weidel. Es sei „völliger Quatsch“. „Es kommt von einer Behörde, die politisch nicht unabhängig ist, vom Verfassungsschutz. Die Verfassungsschutzämter sind von unseren Konkurrenzparteien geführt.“
Sie verwies auch darauf, dass das Bundesinnenministerium, dem das Bundesamt für Verfassungsschutz unterstellt ist, in der vergangenen Legislatur von der SPD-Politikerin Nancy Faeser geleitet wurde. Allerdings hatte sich diese in der Frage, ob es ein Verbotsverfahren gegen die AfD geben sollte, eher zurückhaltend geäußert und dass es auch durch eine Hochstufung der AfD als Verdachtsfall „keinen Automatismus“ gebe.
Markus Preiß verwies daraufhin auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai 2024, in dem die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall gebilligt wurde. Zur Begründung hieß es, das Gericht habe genügend tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gefunden.
„Akzeptieren Sie das dann?“ fragte Preiß und hakte nach: „Akzeptieren Sie deutsche Richter?“ Auch auf wiederholte Nachfrage wollte Weidel hier nicht klar antworten. Stattdessen wiederholte sie zunächst, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht unabhängig agiere.
Dann ließ sie mit Blick auf das Münsteraner Urteil anklingen, dass ein Gericht, welches tätig werde, weil sie „Messerkriminalität“ in Deutschland als „Importproblem“ bezeichnet habe, auch nicht unabhängig agiere: „Da ist die politische Agenda auch klar.“
Nur waren Weidels Äußerungen gar nicht Gegenstand des Gerichtsurteils (nachzulesen unter dem Aktenzeichen 5 A 1216/22). Vielmehr ging es um die Aktivitäten und Äußerungen des vom Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gegründeten „Flügels“ innerhalb der AfD sowie der Jugendorganisation „Junge Alternative“, beides auch Grundlage für die Einstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Auf diese Frage bleibt Weidel die Antwort schuldig
Die Taktik, auf konkrete Fragen ausweichende Antworten zu geben oder gar keine, wendete Weidel auch an anderen Stellen an. So fragte sie der Moderator nach der Diskrepanz zwischen einer Kritik des Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner (AfD) an der Diätenerhöhung der Parlamentarier einerseits und der Tatsache, dass sich die AfD-Spitze kürzlich von der Fraktion eine Verdoppelung ihrer Zulage hat genehmigen lassen: Alice Weidel und Tino Chrupalla bekommen künftig neben ihrer Abgeordnetendiät in Höhe von 12.000 Euro weitere 12.000 Euro Zulage statt wie bislang 6000 Euro, also insgesamt 24.000 Euro.
„Ist das ehrlich?“ wollte Preiß von Weidel wissen. „Absolut“, fand diese. Und behauptete: „Wir sind die einzige Fraktion, die transparent ist.“ Man habe lediglich das Gehalt „auf das übliche Niveau der anderen Parteien und Fraktionen angehoben“.
Linke zahlt keine Zulage, die Grünen weniger als die AfD
Das ist zumindest teilweise falsch. Die Linke zahlt gar keine Zulagen an ihren Fraktionsvorstand mehr und lag auch in der vergangenen Legislatur unter der Zulage der AfD.
Die Grünen zahlen ihrem Fraktionsvorstand Zulagen bis zu 50 Prozent einer Diät, also deutlich weniger als die AfD.
Am Ende des Interviews blieb Weidel dann auch noch Antworten schuldig. Welche drei Dinge in Deutschland denn aus ihrer Sicht „richtig gut laufen“ würden, wollte der Moderator zum Abschluss wissen. Sie sei stolz darauf, dass die „Arbeitnehmer und die Arbeiter nicht die Hoffnung aufgegeben haben, für unser Land einzustehen“. Zwei weitere Punkte wollten ihr auch nach einigem Nachdenken partout nicht einfallen.