Superstar Pogacar lässt sich von den Folgen seines Sturzes nicht beeindrucken. Das Duell mit Rivale Vingegaard entscheidet er klar für sich. Der deutsche Senkrechtstarter Lipowitz beeindruckt.
Rad-Weltmeister Tadej Pogacar rauschte alles andere als angeschlagen hinauf nach Hautacam. Mit einer seiner explosiven Attacken am steilen Schlussanstieg hat der Slowene die komplette Konkurrenz düpiert und in den Pyrenäen vor den Augen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron seine Muskeln spielen
Bei der 112. Tour de France trotzte der Titelverteidiger dem Sturz am Vortag und demonstrierte seine Überlegenheit. Der 26-Jährige eroberte das Gelbe Trikot vom Iren Ben Healy zurück und düpierte die chancenlose Konkurrenz um Rivale Jonas Vingegaard. Macron sah auch, wie der deutsche Hoffnungsträger Florian Lipowitz als Drittplatzierter hinter den Superstars ins Ziel kam und damit diverse Stars hinter sich ließ.
„Ich bin total glücklich, dass ich Zeit gutmachen konnte und an diesem Anstieg gewonnen habe“, sagte Pogacar. Er habe nicht gewusst, wie sein Körper auf den Sturz reagiere. Er habe seine Hüfte nur ein bisschen gespürt.
Pogacar löste sich etwa zwölf Kilometer vor dem Ziel aus der Gruppe der Favoriten, attackierte unnachahmlich und distanzierte seinen dänischen Kontrahenten Vingegaard schnell. Wie entfesselt stürmte Pogacar dem Ziel entgegen und feierte mit einem Abstand von 2:10 Minuten seinen insgesamt 20. Tour-Etappensieg.
Lipowitz hält beachtlich gut mit
Der Deutsche Lipowitz gehörte zu den Gewinnern des Tages. In der Kapitänsfrage zwischen ihm und Routinier Primoz Roglic gab er ein klares Statement, ließ den erfahrenen Kollegen mit mehr als 90 Sekunden hinter sich und wurde Tagesdritter. Der Jungstar kletterte vom achten auf den vierten Rang in der Gesamtwertung – 5:34 Minuten hinter Pogacar.
„Ich habe meine Chance genutzt und nochmal attackiert und dann bis zum Ziel Vollgas“, sagte Lipowitz der ARD. „Nachdem ich den größten Teil von vorne gefahren bin, dachte ich, ich probiere mal eine Attacke“, fügte er hinzu.
In der Gesamtwertung steht der dreimalige Tour-Gewinner Pogacar nun mit einem Abstand von 3:31 Minuten vor Vingegaard. Der Belgier Remco Evenepoel belegt den dritten Gesamtrang 4:45 Minuten hinter dem Gelb-Träger. Doppel-Olympiasieger Evenepoel, Mitfavorit auf das Podium, fiel schon am ersten Anstieg zum Col du Soulor zurück und büßte seinen zweiten Gesamtrang ein. Nun ist Lipowitz sein größter Verfolger.
Filmreifes Duell vor drei Jahren
Vor knapp drei Jahren hatten sich Pogacar und Vingegaard schon ein spektakuläres Duell beim Aufstieg nach Hautacam geliefert. Damals wartete Vingegaard nach einem Sturz sogar auf Pogacar. Der Däne schüttelte den entkräfteten Slowenen später ab und ebnete den Weg für seinen ersten Tour-Sieg.
Pogacar hatte Vingegaard bislang gut im Griff und distanzierte seinen Widersacher um mehr als eine Minute – vor allem durch den Einbruch des Dänen im ersten Einzelzeitfahren. Diesem spielte aber auch in die Karten, als Pogacars wichtigster Berghelfer Joao Almeida aus Portugal nach einem Sturz verletzungsbedingt ausgestiegen war.
Pogacar im Glück nach Sturz
Am Mittwoch stürzte auch Superstar Pogacar, doch der 26-Jährige kam glimpflich davon. Noch am Abend teilte sein UAE-Rennstall mit, dass sich der Slowene bei dem unglücklichen Sturz keine Gehirnerschütterung oder Brüche zugezogen hatte. Prellungen und Schürfwunden am linken Unterarm gehörten zur Schadensbilanz nach dem Schockmoment knapp vier Kilometer vor dem Ziel.
Der Vorfall hätte durchaus schlimme Folgen für den dreimaligen Tour-Champion haben können. Bei Pogacar war beim Start lediglich ein Verband am Arm zu erkennen. „Mir geht es ganz ok, nicht zu schlecht. Mein ganzer linker Arm ist offen, aber nur abgeschürfte Haut“, sagte er.
Tödliches Unglück überschattet Etappe
Auch Pogacar reagierte am Rande der Etappe auf den tragischen Tod des 19 Jahre alten Nachwuchs-Radsportlers Samuele Privitera. Der junge Mann kam am Mittwoch bei einem Radrennen in Italien zu Sturz und verstarb später im Krankenhaus. „Es ist sehr traurig, ein weiteres junges Talent zu verlieren“, bedauerte Pogacar. Auch die Tour nahm Anteil am tragischen Tod. Vor der Etappe wurden die Fahrer und die Zuschauer im Startort Auch gebeten, eine Minute zu Ehren von Privitera zu applaudieren.
Am Freitag steht die zweite Prüfung in den Pyrenäen an. Das anspruchsvolle Bergzeitfahren über 10,9 Kilometer von Loudenvielle hinauf zum Flugplatz nahe Peyragudes dürfte einiges von den Top-Fahrern abverlangen. Vor allem der Schlussanstieg mit durchschnittlich 7,9 Prozent Steigung auf einer Distanz von 8 Kilometern hat es in sich. Der Flugplatz diente einst als Kulisse für den James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ mit Pierce Brosnan.