Batteriehersteller: Northvolt-Förderung nun Fall für das Verfassungsgericht

Schärfere Gangart in Sachen Northvolt: Die Landesregierung habe nicht ordnungsgemäß über Risiken der Förderung einer Batteriefabrik informiert, sagt Ex-Wirtschaftsminister Buchholz. Was der Beleg sei.

Nächste Stufe bei der Aufklärung der für Schleswig-Holstein folgenschweren Millionenförderung für den mittlerweile insolventen schwedischen Batteriehersteller Northvolt: Die FDP hat das Landesverfassungsgericht eingeschaltet. Die Opposition wirft der schwarz-grünen Koalition vor, ihre Informations- und Unterrichtungspflichten gegenüber dem Landtag vor dessen Zustimmung verletzt zu haben.

Die Fraktion wolle in Sachen Aufklärung ihre Gangart deutlich verschärfen, sagte der frühere Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). „In den letzten Wochen müssen wir feststellen, dass von Seiten der Landesregierung, aber auch von Seiten der Fraktionsspitzen von CDU und Grünen, aber auch durch den Generalsekretär der CDU immer mehr versucht wird, das ganze Thema in einer Form zu banalisieren und zu verniedlichen, dass man den Eindruck hat, teilweise soll es sogar ins Lächerliche gezogen werden.“

Konkret geht es um die Informationen von der Landesregierung an den Finanzausschuss des Landtags vor der entscheidenden Sitzung im Januar 2024. Damals machten die Abgeordneten einstimmig den Weg frei für eine Wandelanleihe von der staatlichen Förderbank KfW für den geplanten Fabrikbau von Northvolt bei Heide in Höhe von rund 600 Millionen Euro. Bund und Land bürgten für die Wandelanleihe jeweils zur Hälfte. Hinzu kamen 20 Millionen Euro für Zinsen und Verfahrenskosten.

Fehlten Informationen?

Regierungsvertreter äußerten wiederholt, dass sie sorgfältig gearbeitet und dem Parlament alle Informationen bezüglich der Bürgschaft zur Verfügung gestellt hätten, sagte Buchholz. „Beides ist nicht richtig.“ Dies belegten mittlerweile veröffentlichte und zuvor noch geschwärzte Passagen einer Kabinettsvorlage vom Dezember 2023.

Darin heißt es wörtlich: „Die Gesamtfinanzierung des Ansiedlungsvorhabens am Standort Heide ist nicht gesichert. Für die derzeitige Finanzierungslücke ist eine Fremdfinanzierung geplant, wobei gewisse Zweifel bestehen, dass ein Bankenkonsortium gefunden wird, sofern sich Northvolt hinsichtlich der Bereitstellung von Zahlen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und zum Projekt weiterhin sehr restriktiv verhält.“ Für Buchholz belegen die Akten an mehreren Stellen, dass Northvolt offenbar Unterlagen nicht vorgelegt habe.

Buchholz betonte, „die Abgeordneten mussten folglich eine Entscheidung über 300 Millionen Euro Steuergeld fällen, in Unkenntnis darüber, dass die Datengrundlage hinsichtlich der wirtschaftlichen Bewertung von Northvolt extrem dünn war und weder die Gesamtfinanzierung des Projekts gesichert, noch die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens festgestellt werden konnte“. Mit dem heutigen Kenntnisstand wäre die Abstimmung im Januar 2024 aus seiner Sicht höchstwahrscheinlich anders ausgefallen.

Der Bundesrechnungshof habe bereits festgestellt, dass das Bundeswirtschaftsministerium wesentliche Risiken der Wandelanleihe unzureichend ermittelt und bewertet habe, sagte Buchholz. „Es agierte stattdessen weitestgehend nach dem Prinzip Hoffnung. Diese Aussage zum Bundeswirtschaftsministerium trifft 100-prozentig auch auf die Landesregierung Schleswig-Holstein zu.“

Information „verbaselt“?

Davon habe der Finanzausschuss des Landtags vor seiner Zustimmung zur Landesförderung keine Kenntnis gehabt, sagte Buchholz. Der Grund dafür liege vermutlich im Bereich „zwischen aktiver Täuschung und verbaselt“. Für die Information des Landtags sei der Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter (CDU) verantwortlich.

Zudem verstieß die Regierung nach Ansicht des früheren Ministers mit ihrem Vorgehen auch gegen die Bürgschaftsrichtlinie des Landes. Diese Verwaltungsvorschrift besagt unter anderem, dass die Gesamtfinanzierung eines Projekts unter Berücksichtigung angemessener Eigenmittel gesichert sein müsse. Northvolt sei das mit vier bis sechs Milliarden Euro veranschlagte Projekt neben den Fördermitteln und Krediten aber lediglich mit 60 Millionen Euro Eigenkapital angegangen, sagte Buchholz. „Für 95 Prozent des Risikos sollte die öffentliche Hand eintreten. Das hat mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.“ 

Der Liberale betonte, in jedem Unternehmen wären nach einem Verlust von 300 Millionen Euro persönliche Konsequenzen unausweichlich. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe zwar erklärt, die Verantwortung für den Fall zu übernehmen. Fehler seien aber nicht gemacht worden. Falls der Regierungschef weiterhin erkläre, er würde alles wieder so machen wie damals, werde er dessen Rücktritt fordern.

Regierung verspricht Transparenz

Die Staatskanzlei nahm die Ankündigung der FDP zur Kenntnis. „In einem etwaigen Gerichtsverfahren werden wir, wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten, weiterhin mit voller Transparenz für sämtliche Fragen zur Verfügung stehen – auch, wenn längst alles auf dem Tisch liegt, um sich ein umfassendes Bild zu machen“, sagte eine Regierungssprecherin. „Daran, dass laut Gutachten die Rückzahlungswahrscheinlichkeit bei 86 Prozent lag und die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 1 Prozent, wird sich aber auch mit der Anrufung des Verfassungsgerichts nichts ändern.“

Nach Ansicht der SPD hat die Landesregierung hinreichend Anlass dazu gegeben, dass ihr Umgang mit dem Parlament verfassungsrechtlich überprüft wird. „Wir werden über den Schriftsatz des Organstreitverfahrens zeitnah beraten und entscheiden, ob wir uns dem Verfahren anschließen“, sagte der SPD-Wirtschaftspolitiker Kianusch Stender.

Insolvenz des Unternehmens

Als im März 2024 mit dem Bau in Schleswig-Holstein begonnen wurde, waren die Hoffnungen in der strukturschwachen Region groß. Im Rekordtempo wendete sich das Blatt, Northvolt rang mit immer höheren Schulden, musste Tausende Arbeitnehmer in Schweden entlassen, Expansionspläne auf Eis legen und in den USA in einem kostspieligen Verfahren vorübergehend unter Gläubigerschutz gehen.

Schließlich meldete Northvolt am 12. März 2025 in Schweden Insolvenz an. Unklar bleibt, wie es mit der im Bau befindlichen Fabrik bei Heide weitergeht und wie teuer die Insolvenz für Deutschland und Schleswig-Holstein am Ende wird.