Serie: stern-Legenden: Elizabeth Taylor – die letzte Göttin

Sie war die Mutter Courage Hollywoods und die Schutzheilige der Aidskranken. Sich selbst schonte sie nie: Elizabeth Taylor überstand acht Ehen und viele Alkoholexzesse.

Es war bei einem Gedenkkonzert für den an Aids gestorbenen Queen-Sänger Freddie Mercury im Londoner Wembley-Stadion: George Michael, Elton John und Axl Rose traten auf, dann kam Liz Taylor auf die Bühne. Sie trug eine funkelnde Paillettenjacke, ihre schwarzen Haare waren fast bis unter das Stadiondach toupiert.

Das Aidsvirus verbreitete sich damals rasant, die Forschung war noch jung und die Angst groß. Jemand musste den jungen Leuten ins Gewissen reden. Und das tat sie, mütterlich und ein bisschen streng: „In zwei Wochen wird es so viele Neuinfizierte geben, wie Menschen hier im Stadion sind. Ich kann nur sagen, schützt euch! Nehmt immer ein Kondom, wenn ihr Sex habt. Jedes Mal! Und egal, was für Sex, ob homosexuell, hetero oder bisexuell, immer ein Kondom nehmen. Ihr seid eure Zukunft, die Welt braucht euch!“

Es war Anfang der Neunziger, Freddie Mercury war offiziell an einer Lungenentzündung gestorben, wie es zunächst hieß. Man sprach besser nicht über Aids – aber dann stand sie da und nannte die Krankheit beim Namen.

Elizabeth Taylor heiratete, wen sie wollte

Elizabeth Taylor hatte Courage. Sie sagte, was sie zu sagen hatte, vielleicht, weil sie so viele Menschen erlebte, die sich eben das nicht trauten. Denn Elizabeth Taylor begegnete den Lebenslügen Hollywoods schon früh. 

1951 drehte sie „Ein Platz an der Sonne“ und schwärmte für ihren Kollegen Montgomery Clift, der nicht zugeben durfte, dass er homosexuell war. 1955 dann „Giganten“ mit James Dean und Rock Hudson, ein großes Drama. Der schwule Rock Hudson war auf Befehl Hollywoods mit einer Frau verheiratet, soll aber der Taylor sehr nahegekommen sein. Was Taylors damaligen Ehemann Michael Wilding nach Texas reisen ließ, wo er nur noch die Trümmer seiner Ehe besichtigen konnte. Dazu der introvertierte James Dean, der unschlüssig zwischen schwul und hetero pendelte und sich wenige Tage vor Ende der Dreharbeiten in seinem Porsche zu Tode fuhr.

Anders als Greta Garbo oder Marlene Diet­rich, die großen Diven früherer Zeiten, wurde Liz Taylor nicht zynisch oder zog sich zurück. Sie machte weiter. 1963 verfiel sie Richard Burton, als sich beide zum ersten Mal bei den Dreharbeiten zu „Cleopatra“ gegenüberstanden. 

Taylor und Burton. „Sie küssten und sie schlugen sich“ ist die vielleicht harmloseste Überschrift dieser zweimaligen Ehe. Burton sagte später, er habe das alles nur in permanentem Suff ertragen. Zu sehen war das auch auf der Leinwand: „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist das wohl authentischste Stück Ehekrieg, das je zu sehen war – und der Film, auf den Taylor am stolzesten war, wie sie einmal sagte. Das Wissen um die geheimsten Ritua­le der Traumfabrik Hollywoods machte sie zu einer Frau, die auf nichts Rücksicht neh­men musste, auch nicht auf ihren Ruf.

Es war ein Leben im Schmerz

Elizabeth Taylor wurde in England geboren. Schon als Dreijährige lernte sie reiten, doch mit zwölf fiel sie vom Pferd und litt fortan unter Knochenschmerzen. Ihre Mutter fand, sie solle Schauspielerin sein, also drehte sie „Lassie“ und wurde zum Kinderstar. Weil die Mutter aber fürchtete, sie sei für eine Film­karriere nicht groß genug ge­wachsen, wurde Liz einer Strecktherapie unterzogen. Es war ein Leben im Schmerz und so erklärten sich auch die jahrelangen Tabletten-­Exzesse und das Trinken. Die permanente Betäu­bung.

Doch all das gehörte zu ihr. Elizabeth Taylor flog noch in einem Privatjet, der überall eingelassene Aschenbecher und angeschraubte Drinkhalter hatte. Sie hatte eine dekadente Vorliebe für pflaumengroße Diamanten. Ihr Leben war wie Hollywoods erste Seifenoper: Niemand dort war so öffentlich wie sie. „Privat? Wie kommen Sie darauf, dass in meinem Leben irgendetwas privat ist?“, hat Taylor einmal einen Reporter gefragt. 2011 starb sie an Herzversagen. Mit ihr ging die letzte Göttin Hollywoods.