IStGH erlässt Haftbefehle gegen Taliban-Anführer wegen Unterdrückung von Frauen

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Haftbefehle gegen Anführer der radikalislamischen Taliban in Afghanistan erlassen. Dem Taliban-Chef Haibatullah Achundsada und Afghanistans Obersten Richter Abdul Hakim Hakkani wird wegen der Unterdrückung von Frauen Verfolgung auf Grundlage des Geschlechts vorgeworfen, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Die Taliban-Behörden taten die Haftbefehle als „Unsinn“ ab.

Es gebe hinreichende Gründe für die Annahme, dass die beiden Taliban-Anführer durch „Anordnung, Anstiftung oder Aufforderung Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Verfolgung von Mädchen und Frauen aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit“ begangen hätten, erklärten die Richter in Den Haag. Die Taliban hätten zwar auch der gesamten Bevölkerung bestimmte Regeln und Verbote auferlegt, „aber sie haben Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts gezielt benachteiligt und ihnen damit ihre Grundrechte und -freiheiten vorenthalten“.

Die mutmaßlichen Verbrechen seien zwischen dem 15. August 2021 – dem Tag der erneuten Machtübernahme durch die Taliban – und mindestens dem 20. Januar dieses Jahres begangen worden. Die Islamisten hätten Mädchen und Frauen „in schwerwiegender Weise“ ihrer Rechte auf Bildung, Privatsphäre und Familienleben sowie ihrer Bewegungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit beraubt. „Darüber hinaus wurden andere Personen ins Visier genommen, weil bestimmte Ausdrucksformen der Sexualität und/oder Geschlechtsidentität als unvereinbar mit der Geschlechterpolitik der Taliban angesehen wurden“, erklärten die Richter.

Die von den Taliban geführten Behörden in Afghanistan erklärten, die Haftbefehle würden das „starke Engagement und die Hingabe“ der Taliban für das islamische Scharia-Recht nicht beeinträchtigen. Zudem erkenne die Taliban-Regierung den IStGH nicht an.

Das Büro des IStGH-Chefanklägers Karim Khan begrüßte die Haftbefehle als „wichtige Rechtfertigung und Anerkennung der Rechts von afghanischen Frauen und Mädchen.“ Die Entscheidung des IStGH unterstreiche, „dass ihre Rechte wertvoll sind und ihre Notlage und ihre Stimmen etwas bedeuten.“

Khan hatte die Haftbefehle im Januar beantragt. Die Taliban wiesen die Forderung damals als „politisch motiviert“ zurück. Mit Erlass der Haftbefehle müssen die mehr als 120 Mitgliedstaaten des Gerichts – darunter Deutschland – diese im Prinzip vollstrecken, sollte einer der Betroffenen in eines der Länder reisen. Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen.

Die Taliban sind in Afghanistan seit 2021 wieder an der Macht. Die Islamisten hatten zunächst angekündigt, liberaler zu regieren als während ihrer Herrschaft zwischen 1996 und 2001. Schnell wurden die Rechte von Frauen und Mädchen aber wieder drastisch eingeschränkt. Diese sind weitgehend aus dem öffentlichen Raum verbannt. Der Besuch weiterführender Schulen ist ihnen untersagt, ihre Arbeitsmöglichkeiten sind weitestgehend eingeschränkt. Frauen müssen sich in der Öffentlichkeit zudem vollständig verhüllen.

Der im niederländischen Den Haag ansässige Internationale Strafgerichtshof ahndet Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er nahm seine Tätigkeit 2002 auf. Wichtige Staaten wie die USA, China und Russland gehören dem Strafgerichtshof nicht an.