Sie war ein Inbegriff von Pflichtgefühl und Disziplin: Queen Elizabeth II. bekleidete ihr Amt länger als ihre Ururgroßmutter Victoria, länger als jeder britische Monarch zuvor.
Einmal stand sie noch da, die Queen, um ihrer Pflicht nachzukommen: Elizabeth II. erwartete Liz Truss, die sie zur neuen Premierministerin ernennen sollte. Früher erledigte Majestät so etwas im Buckingham Palast, doch ihre Gesundheit ließ die Reise dorthin nicht mehr zu.
Es war Dienstag, der 6. September 2022, auf Schloss Balmoral, wo die Queen ihren letzten Sommer verbrachte: Sie sah zart aus, doch dass sie zwei Tage später die Augen für immer schließen würde – wer hätte das in diesem Moment gedacht? „Sie lächelte und schien sehr glücklich“, erinnert sich die Fotografin, die den letzten Auftritt der Queen dokumentierte.
Als sie vom Tod ihres Vaters erfuhr, trug sie Jeans
Elizabeth II. war ein Inbegriff von Pflichtgefühl und Disziplin. Eine Jahrhundertkönigin, die gerade noch ihr 70-jähriges Thronjubiläum gefeiert hatte. London erlebte nach ihrem Tod beispiellose Tage, mit einer Schlange vor ihrem Sarg, die gefühlt bis nach Dover reichte: Halb Britannien wollte sich noch einmal vor ihr verneigen. Thank you, Ma’am!
Elizabeths Vater George VI. starb am 6. Februar 1952, sie und ihr Gemahl Philip weilten gerade in Kenia. Als sie vom Ableben ihres Vaters erfuhr, trug sie Jeans – es war das letzte Mal. Fortan diente sie der Nation und dem Commonwealth. Und wie! Die Queen war länger im Amt als ihre Ururgroßmutter Victoria, länger als jeder britische Monarch zuvor.
Die Königin absolvierte 400 Termine pro Jahr, bewirtete Gäste in ihren Palästen, hielt Gartenpartys, war Schirmherrin von mehr als 600 Wohltätigkeitsorganisationen und Chefin der Streitkräfte. Vor allem aber war sie Chefin der „Firma“, wie ihr Gemahl Philip das Königshaus einst bezeichnete. Philip ging kurz vor seinem 100. Geburtstag im April 2021; sie überlebte ihn; sie überlebte überhaupt die meisten ihrer Zeitzeugen.
Bis zum Schluss traf Elizabeth sich mittwochs zum Plausch mit den amtierenden Regierungschefs: Während ihrer Amtszeit kamen und gingen 14 Premierminister, darunter drei Frauen. Der erste war „madly in love with the Queen“: Winston Churchill dehnte das Briefing mit ihr gern auf eineinhalb Stunden aus. Sie mochte Harold Wilson, ihren ersten Labour-Premier, der ihr seine Alzheimerkrankheit offenbarte. Sie stritt mit Maggie Thatcher, die sie „that woman“ nannte. Und schätzte sie dennoch. Sie beriet sich mit Tony Blair über das Krisenmanagement nach Dianas Tod (daraus entstand der Oscar-prämierte Film „The Queen“).
Eine kleine Geste, doch sie zeigte Größe
Es war das einzige Mal, dass die Queen sich öffentlich vor jemandem verneigte – der verstorbenen Diana. Eine kleine Geste, doch sie zeigte Größe. Elizabeth II. hatte verstanden, dass es ein Fehler war, das Volk in seiner Trauer um Diana erst nach Druck von außen anzusprechen. Sie sah ein, dass man Dinge auch anders machen konnte, so wie Diana es lange Zeit ihres royalen Lebens getan hatte. Die Königin wurde offener, sie ließ Prinz William die bürgerliche Kate heiraten und Prinz Charles die obendrein geschiedene Camilla. Letztere ist nun Königin; die Windsors sind in der Gegenwart angekommen.
Nach dem Tod der Queen läutete Big Ben dumpf, der Glockenschlag wurde zur Trauer mit einer etwa eineinhalb Zentimeter dicken Lederschicht gedimmt. Das Fernsehen erinnerte rund um die Uhr an sie, die Zeitungen hatten Sonderbeilagen vorbereitet. Nie war die Queen so allgegenwärtig wie in jenen Tagen. Elizabeth II. – unsterblich über ihren Tod hinaus.