Streiten wie die Profis: Über die Höhe einer möglichen Ablösesumme für Nick Woltemade ist öffentlicher Streit ausgebrochen – und lenkt von den eigentlichen Transfer-Problemen ab.
Der FC Bayern will den aufstrebenden Stürmer Nick Woltemade verpflichten. Der Shootingstar des deutschen Fußballs soll als Nachfolger für Leroy Sané an die Säbener Straße kommen, den es ablösefrei zu Galatasaray Istanbul zieht. Für Sport-Vorstand Max Eberl und den FC Bayern macht das Geschäft Sinn. Woltemade, 23 Jahre alt, hat in seinem Jahr beim VfB Stuttgart einen kometenhaften Aufstieg hingelegt und den Sprung in die Nationalelf geschafft. Er hat nachgewiesen, dass er zurecht ein Kandidat ist.
Eberl hat nur ein Problem: Das Interesse an Woltemade ist frühzeitig öffentlich geworden, zu früh, um sich in eine gute Verhandlungsposition zu bringen. Woltemade hat beim VfB einen Vertrag bis 2028, die Schwaben haben also keinen Druck, den Spieler zu verkaufen, einen offiziellen Kontakt zwischen den Klubs soll es bis heute nicht gegeben haben. Also rief der VfB kurzerhand einen Verkaufspreis von 100 Millionen Euro auf. Das ist natürlich viel zu hoch für einen jungen Profi, der gerade einmal ein gutes Jahr gespielt hat. Das Online-Portal „Transfermarkt.de“ beziffert den Wert des Spielers auf 30 Millionen Euro – das ist wohl realistischer.
Max Eberl mittendrin: Der Hoeneß-Matthäus-Streit
Das öffentliche Feilschen ist nicht das einzige Problem für Eberl. Eine ganz besondere Note erhielt das Transfer-Gezerre durch einen verbalen Schlagabtausch zwischen Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß und TV-Experte Lothar Matthäus.
Und der lief so ab:
„Loddar“ teilt der „Bild“ in einem Interview seine Gedanken zum Transferwunsch der Bayern mit: „Ich sage es schon seit längerer Zeit: Woltemade ist einer für den FC Bayern. Und ich finde es richtig, dass Bayern sich um ihn bemüht. Wobei ich 60 Millionen Ablöse zu wenig finde. Wären 80 bis 100 Millionen genannt worden, hätte mich das nicht überrascht.“
Die Aussagen treiben den Blutdruck von Uli Hoeneß in ungeahnte Höhen, er kontert im „Kicker“: „Lothar Matthäus hat nicht alle Tassen im Schrank.“ Hoeneß setzt zudem zu einer gewagten Interpretation mit Blick auf den VfB Stuttgart an. Mit solchen Aussagen setze Matthäus vor allem den VfB unter Druck, der am Ende bei einer niedrigeren Ablöse öffentlich als Verlierer dastehen würde, heißt es.
Matthäus erwidert kühl: „Zunächst muss ich sagen: Ich bin die Beleidigungen von Uli Hoeneß gewohnt und nehme sie nicht mehr ernst. Das macht er seit 20, 25 Jahren. Das lasse ich nicht an mich herankommen, da bekommst du eine dicke Haut. Uli Hoeneß lebt nach wie vor in seiner Welt und hat immer noch nicht verstanden, dass sich nicht nur der Fußball, sondern auch das Business weiterentwickelt hat.“
Die Aussagen veranlassen Eberl und Bayern-Präsident Herbert Hainer, Hoeneß zur Seite zu springen:„Man kann ja eine Meinung haben, dafür leben wir in einem freien Land. Aber so von außen – ohne Interna zu kennen – diesen Preis wie auf einem Basar nach oben zu treiben, das gehört sich nicht„, sagt Eberl in Miami bei der Klub-WM.
Hainer assistiert brav und weist auf Grundsätzliches in Sachen Hoeneß hin: „An der Seitenlinie stehen, keine Verantwortung tragen und immer wieder mal etwas reinrufen – das ist das Eine. Uli Hoeneß hingegen steht bis heute mitten auf dem Spielfeld, lenkt als Mitglied unseres Aufsichtsrates die Geschicke des FC Bayern – und der ist einer der absoluten Topclubs in Europa.“
Und noch mal Eberl, der findet, dass die Äußerungen von Matthäus, „einen Schritt zu weit gehen“. Dagegen habe sich Hoeneß „einfach mal völlig berechtigt“ gewehrt und gesagt, „das ist nicht in Ordnung. Es ist auch nicht in Ordnung. Selbst ein Weltfußballer wie Lothar Matthäus sollte das nicht machen“, sagt Eberl. „Mondpreise“ werde man nicht bezahlen. „Wenn es utopische Preise sind, dann muss man das akzeptieren, dann geht man auf einen anderen Zielspieler. Das ist ganz normal in diesem Geschäft“, stellt Eberl bei DAZN klar und macht so eifrig mit beim öffentlichen Feilschen.
Am Ende versucht Eberl, freundlich zu sein, um nicht alle Chancen auf Woltemade zu verspielen. Denn einen Transfererfolg kann der Mann gut gebrauchen: „Wir schauen, was machbar ist, ohne uns treiben zu lassen.“ Dass der VfB Stuttgart die Bayern „über den Tisch“ ziehen wolle, „glaube ich nicht“, betont Eberl und begründet: „Dafür ist unser Verhältnis viel zu gut.“
Viel Realsatire beim FC Bayern
Das alles bietet viel Realsatire. Einerseits. Andererseits machen solche Absurditäten deutlich, dass die Stimmung auf den Fluren der FC-Bayern-Geschäftsstelle angespannt ist, wenn man dort so empfindlich auf eine Matthäus-Äußerung reagiert. Man könnte sie genauso mit einem Halbsatz abtun, statt die Reihen zu schließen, als drohe ein Transfer-Armageddon.
Der entscheidende Punkt ist: Das Wirken des Bayern-Managers wird genau beobachtet. Neben Woltemade galten andere Offensivkräfte als Kandidaten. Der Spanier Nico Williams zum Beispiel, der aber lieber für den FC Barcelona spielen möchte. Oder Rafael Leao, den es nach jüngsten Berichten zu Manchester United zieht.
Zudem soll Eberl teure Profis wie João Palhinha oder Min-jae Kim loswerden. Das wird nicht leicht, weil der FC Bayern fürstliche Gehälter zahlt und Spieler nicht so einfach lukrative Verträge aufgeben.
Für Eberl ist das eine schwierige Situation. Er hat damit zu kämpfen, dass sich der Transfermarkt gewandelt hat. Der FC Bayern bekommt nicht einfach jeden Spieler, der er haben will. Bei der Trainersuche im vergangenen Jahr war es ähnlich: Eberl hatte große Probleme, einen Nachfolger für Thomas Tuchel zu finden. Die Suche nach einem Coach bestimmte wochenlang die mediale Agenda. Jetzt folgte der zweite Transfersommer unter Eberls Ägide. Leichter ist es nicht geworden.
Quellen: DPA, „Bild„, „Kicker„, „Transfermarkt.de„