Kritik an Senatorin: Grüne stellen Missbilligungsantrag gegen Bildungssenatorin

Ein homosexueller Lehrer berichtet von Mobbing gegen ihn. Wer hat wann und was dazu gewusst? Die Grünen wollen über einen Missbilligungsantrag gegen die Bildungssenatorin abstimmen lassen.

Die Kritik an Bildungssenatorin Katharina Günther‑Wünsch (CDU) reißt nicht ab. Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus wollen am Donnerstag über einen Missbilligungsantrag gegen sie abstimmen lassen, wie die Fraktion mitteilte.

Sie werfen der CDU-Politikerin falsche Angaben dazu vor, wann sie einen an sie gerichteten Anwaltsbrief im Auftrag des Berliner Lehrers Oziel Inácio-Stech bekommen hat, der an der Carl-Bolle-Schule in Moabit nach eigenen Angaben wegen seiner Homosexualität monatelang gemobbt wurde.

Das sei im Kontext der parlamentarischen Bewertung der Diskriminierungs- und Mobbingvorfälle von erheblicher Bedeutung gewesen, kritisierten die Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch und der bildungspolitische Sprecher Louis Krüger. „Dies insbesondere, weil die Senatorin damit eine persönliche Verantwortung abstritt – wie jetzt klar ist: fälschlicherweise.“

Grüne verlangen eine Entschuldigung

Das Abgeordnetenhaus sei die Volksvertretung Berlins und übe die parlamentarische Kontrolle über den Senat und seine Mitglieder aus. „Nach der Verfassung sind diese verpflichtet, dem Parlament gegenüber umfassend und wahrheitsgemäß zu berichten und Rede und Antwort zu stehen“, erklärten die beiden Abgeordneten.

„Das Abgeben falscher oder irreführender Auskünfte verletzt diese verfassungsmäßige Pflicht. Wir erwarten eine Entschuldigung der Senatorin gegenüber dem Parlament.“

Günther-Wünsch hatte ihre früheren Aussagen zu einem Beschwerdeschreiben des Anwalts am vergangenen Freitag korrigiert. Eine Prüfung der Akten habe ergeben, dass ihr das Schreiben vom 4. Dezember 2024 persönlich vorgelegen habe. Rund eine Woche davor hatte sie gesagt, sie habe es erst in diesem Mai gelesen.

„Die fehlerhaften Angaben im Bildungsausschuss am 5. Juni und im Plenum am 12. Juni beruhten auf dem damaligen Stand der internen Prüfung“, erläuterte die CDU-Politikerin am vergangenen Freitag. Im sogenannten elektronischen Postbuch sei das Schreiben nicht erfasst gewesen. „Dass mir das Vorliegen des Schreibens nicht mehr erinnerlich war, bedauere ich.“

Der Lehrer wurde nach eigenen Angaben von Schülern aus muslimischen Familien monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt. Er beklagt außerdem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin.

Sozialsenatorin hat den Lehrer getroffen

Währenddessen hat sich Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe mit Inácio-Stech getroffen. Die SPD-Politikerin ist auch für das Thema Antidiskriminierung zuständig. „Ich kann bestätigen, dass es das Treffen gegeben hat“, sagte ein Sprecher der Sozialverwaltung auf dpa-Anfrage. Zu Details und Inhalten werde aber nichts mitgeteilt. „Das war ein vertrauliches Gespräch.“

Der „Berliner Zeitung“ sagte Inácio-Stech: „Sie hat sich Zeit genommen, sich alles angehört, was mir passiert ist. Sie war sehr empathisch.“ Man habe darüber gesprochen, dass das Mobbing in seinem Fall mit Attacken von muslimischen Schülern begonnen habe, man das aber nicht pauschalisieren könne. Vor allem aber habe er seine Erlebnisse endlich an der Schule mit einer hochrangigen Berliner Politikerin besprechen können. 

Abgeordnete bekommen Akteneinsicht

Am Montag haben Mitglieder des Abgeordnetenhauses Gelegenheit, in der Bildungsverwaltung Akten zu dem Fall einzusehen. Mitglieder aus allen Fraktionen des Landesparlaments wollen davon Gebrauch machen. Im Anschluss ist ein Gespräch mit der Senatorin geplant. 

„Ich erhoffe mir schon die Klärung einiger offener Fragen“, sagte die queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Wiebke Neumann, auf dpa-Anfrage. Ob sie sich alle beantworten ließen, sei vorher schwer abzuschätzen. 

„Mir geht es vor allem darum, wie ist der Umgang mit einem schwulen Lehrer, der, so wie der Stand jetzt ist, von Mobbing betroffen ist, weil er schwul ist oder mindestens von Diskriminierung“, sagte Neumann. 

Wichtig sei ihr auch herauszufinden, ob queere Lehrkräfte in solchen Fällen ausreichend Unterstützung bekommen. „Insgesamt finde ich, dass jeder Betroffene von solchen Fällen einen angemessenen und wertschätzenden Umgang seines Dienstherren verdient hat“, so die SPD-Abgeordnete. „Das erwarte ich dann auch.“