Männergesundheit: Starker Beckenboden: Warum er Männer sexy macht – und gesund

Beckenboden-Training, war das nicht was für Frauen? Nein, auch bei Männern wird das Workout immer beliebter. Denn die verborgenen Muskeln helfen beim Sex. Und beugen so manchem Altersproblem vor.

„Auf die inneren Werte kommt es an.“ Ein weiser Satz, der sich ursprünglich auf den menschlichen Charakter bezieht. Doch viele Experten in der Sport- und Fitnessszene sagen inzwischen, dass man ihn auch auf die menschliche Muskulatur anwenden könne. Bizeps und Trizeps zu trainieren, so ihr Argument, mag schön und gut sein – doch was nützt ein starker Arm, wenn der Körper, an dem er dranhängt, nicht fit ist? Die Kraft sollte vor allem bei Männern auch aus der Körpermitte kommen. 

Doch der Rumpf, insbesondere der Beckenboden und die tief liegende Bauchmuskulatur, wurden lange Zeit von vielen Männern ignoriert – selbst von denen, die regelmäßig ins Fitnessstudio gehen: Kaum jemand prahlt damit, dass er am Vortag Beckenbodentraining gemacht habe. Dabei ist genau das für ein effektives Core-Training wichtig. 

Der Beckenboden ist einfach zu aktivieren

In den vergangenen Jahren hat sich diese Erkenntnis zunehmend durchgesetzt, die Kräftigung der Rumpfmuskulatur wird bei Männern populärer. Einen großen Beitrag dazu leistete der ehemalige Trainer der Nationalmannschaft, Jürgen Klinsmann, als er 2006 seinen Spielern „Core Workouts“ verordnete – ein moderner Name für funktionelle Rumpfübungen, samt Beckenbodenaktivierung. Vor allem Letztere lässt sich meist problemlos in den Alltag integrieren (s. Übungen) 

Auch Forschungsergebnisse stützen den Trend zum Core-Training: „Wir wissen, dass Männer, die gezielt ihre Körpermitte trainieren, auf mehreren Ebenen profitieren“, sagt Professor Frank Sommer, Direktor des Instituts für Männergesundheit in Hamburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. Die Muskulatur im Beckenbereich sei entscheidend für Bewegungen in Hüfte und Beinen – und sie trage wesentlich zur allgemeinen Stabilität des Körpers bei. Wer Core-Training macht, kann die Körperhaltung und das Gleichgewichtsgefühl verbessern sowie die Stabilität und Beweglichkeit des Rumpfes steigern.  

Wie effektiv das sein kann, belegt etwa eine Untersuchung der Universität Malta: Bei Männern, die unter chronischen Rückenschmerzen litten, verringerten sich die Symptome nach sechs Monaten Core-Training stärker als bei Patienten, die herkömmliche Physiotherapie machten.

Die Chance für besseren Sex

Auch beim Sex können Männer von einem gezielten Training des Beckenbodens profitieren. „Schon nach wenigen Wochen lassen sich Erektionen besser halten und eine frühzeitige Ejakulation kann hinausgezögert werden“, erklärt Sommer. Studien zufolge betrifft vorzeitiger Samenerguss mindestens rund ein Viertel der Männer. Eine Analyse von zehn Studien mit männlichen Patienten zeigte tatsächlich deutliche Verbesserungen bei vorzeitigem Samenerguss durch Beckenbodentraining.  

Und bei einem weiteren Problem für Männer in der zweiten Lebenshälfte erweist sich Core-Training als hilfreich: vermehrter Harndrang. Verantwortlich ist meist eine gutartig vergrößerte Prostata, von der die Hälfte der 50-jährigen Männer betroffen sind, bei den 80-Jährigen sogar 80 Prozent. Die vergrößerte Prostata drückt auf die Harnröhre, sodass beim Wasserlassen weniger Urin fließt. Folge: Betroffene Männer müssen häufiger zur Toilette. 

Das Ganze ist zwar harmlos für die Gesundheit, aber nervig. Ein kräftiger Beckenboden hilft, die Blase zu stabilisieren und mehr Druck beim Wasserlassen aufzubauen. Das zeigte eine Studie aus dem Jahr 2024, in der 158 Teilnehmer – Männer mit vermehrtem Harndrang – in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die eine machte Beckenbodenübungen, also Core-Training, die andere nicht. Tatsächlich verbesserten sich die Beschwerden bei den Teilnehmern der ersten Gruppe signifikant mehr als bei der Kontrollgruppe. 

Rund zehn Prozent der Männer über 65 sind zudem von Inkontinenz betroffen – oftmals durch sogenannte Belastungsinkontinenz. Die hat nichts mit psychischem Stress zu tun, sondern tritt bei körperlicher Anstrengung auf, etwa beim Heben schwerer Gegenstände. Eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur kann die Ursache sein. Und gezieltes Training die Lösung.

Ähnlich positive Effekte sehen Mediziner auch bei anderen Formen von Blasenproblemen. Besonders nach einer Prostataoperation oder bei neurologischen Erkrankungen kann Core-Training helfen, mehr Kontrolle über die Blase zu bekommen. „In den meisten urologischen Nachsorgekliniken gehört das Beckenbodentraining inzwischen fest zum Reha-Programm“, sagt Professor Thomas Otto, Chefarzt der Urologie im Rheinland-Klinikum in Neuss.  

Die gute Nachricht: Core-Training ist unkompliziert und insbesondere das Beckenbodentraining in den Alltag integrierbar. „Es geht im Wesentlichen darum, eine Grundspannung im Beckenbereich aufzubauen und zu halten“, so Sommer. Weil die tief liegenden Muskeln keine Gelenke bewegen, lassen sie sich oft sogar im Sitzen aktivieren. Das kann jeder Mann.