Es wusste kaum jemand, dass es sie überhaupt noch gibt: Nun sind weitere Objekte präsentiert worden, die zum berühmten Erfurter Schatz gehören. Ihre Bedeutung ist groß, ihr Auftauchen ein Krimifall.
Fast 30 Jahre nach der Entdeckung des Erfurter Schatzes sind vier weitere Stücke aufgetaucht, die dem gerade für die hiesige jüdische Kulturgeschichte bedeutenden Schatz zuzuordnen sind. Dabei geht es um vier Teile gotischer Gewandschließen, die bei einer Durchsuchung bei einer Privatperson sichergestellt worden seien, sagte der Präsident des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sven Ostritz.
„Die schiere Anzahl ist gering“, so Ostritz bei der Vorstellung der vier Stücke in Erfurt. Die Objekte gehörten aber zum mittelalterlichen jüdischen Erbe Erfurts, von dem es nur wenige Zeugnisse gebe und die in der Vergangenheit teils vorsätzlich zerstört worden seien. „Jedes noch so kleine Teil ist ein enormer Zugewinn“, betonte Ostritz.
Bei drei Schließen handelt es sich um Gegenstücke, zu bereits bekannten Teilen des Schatzes. Ein Verschlussteil sei neu, sagte Christian Tannhäuser Gebietsreferent beim Landesamt.
Sensation vor knapp 30 Jahren – Schatz bei Bauarbeiten entdeckt
Der Erfurter Schatz wurde 1998 bei Bauarbeiten auf einem Grundstück in der Erfurter Altstadt unweit der Alten Synagoge unter der Mauer eines Kellerzugangs entdeckt. Der Fund gilt als Sensation. Fachleute wie die Kunsthistorikerin Maria Stürzebecher vermuten, dass ein jüdischer Bankkaufmann seinen Familienbesitz dort vor einem Pogrom gegen die jüdische Gemeinde 1349 versteckte. Zum Schatz gehören mehr als 3.000 Silbermünzen, Silberbarren und hunderte Goldschmiedestücke. Darunter auch Gewandschließen und andere Objekte, die im täglichen Gebrauch waren.
Anfang des Jahres habe sich eine in die Arbeiten von 1998 involvierte Person gemeldet, so Tannhäuser. Diese gab an, im Besitz von Stücken des Schatzes zu sein und sie für Geld den zuständigen Stellen zu überlassen. Daraufhin sei die Staatsanwaltschaft Erfurt eingeschaltet worden, die die Sicherstellung der Objekte bei einer Durchsuchung in die Wege leitete. Handlungsbedarf habe bestanden, sagte Ostritz. Demnach stand die Gefahr im Raum, dass die Objekte anderweitig veräußert und ins Ausland gebracht werden könnten.
Laufendes Verfahren, aber Landesgesetz gilt
Das Landesamt geht davon aus, dass die Person damals die Gewandschließen widerrechtlich an sich genommen habe. Der mutmaßliche Straftatbestand der Unterschlagung ist laut Staatsanwaltschaft verjährt. Allerdings laufe formell ein Verfahren auf Einziehung der Stücke in der Sache. Ansonsten gelte ein Thüringer Gesetz zum Schutz von Kulturdenkmalen, wonach Objekte, deren Eigentümer nicht mehr zu ermitteln sind, Eigentum des Freistaats werden. Es sei nicht auszuschließen, dass es noch weitere bislang unbekannte Objekte des Schatzes gebe, sagte Ostritz.
Bis zum Abschluss des Einziehungsverfahrens bewahrt das Landesamt die Objekte nun sachgerecht auf. Danach müssten zunächst dringend nötige Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden, so Tannhäuser. Im Anschluss sollten genauere Untersuchungen folgen. Wann die Gewandschließen also wie die anderen teile des Schatzes öffentlich in der Alten Synagoge präsentiert werden können, ist noch unklar.
Das jüdisch-mittelalterliche Erbe Erfurts gehört seit 2023 zum Unesco-Welterbe.