Herzgesundheit: Neue Studie über Cannabis: Kiffen kann töten

Wirkt sich der Konsum von Cannabis ähnlich schädlich auf Herz und Gefäße aus wie das Rauchen von Zigaretten? Eine aktuelle Studie liefert überraschende Ergebnisse.

Weltweit wird die Zahl der Menschen, die Cannabis konsumieren, auf über 200 Millionen geschätzt. Auch in Deutschland sind es Millionen, die Cannabis zumeist rauchen. Etwa zehn Prozent der Erwachsenen und knapp sieben Prozent der Jugendlichen haben in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert. Genaue Zahlen gibt es natürlich nicht. Die Verbreitung ist aber hinreichend groß, um bei den gesundheitlichen Folgen genau hinzusehen. So hat sich ein französisches Forschungsteam unter Leitung der Epidemiologin und Cannabis-Spezialistin Émilie Jounjus von der Universität Toulouse systematisch alle relevanten Studien vorgenommen, bei denen es um die Folgen des Cannabis-Konsums für das Herzkreislaufsystem ging. Die Ergebnisse dieser neuen Analyse wurden jetzt im internationalen Fachjournal „Heart“ veröffentlicht. 

Was war bislang über Cannabis und Herzgesundheit bekannt? 

Der wichtigste und einzige psychoaktive Wirkstoff von insgesamt hunderten – Tetrahydrocannabinol (THC) – wirkt auf Puls und Blutdruck. Auch andere Cannabinoide beeinflussen sowohl direkt Gefäße und Herzmuskel, als auch indirekt über das zentrale wie das periphere Nervensystem. 

Dieser Zusammenhang wurde in einem internationalen Übersichtsartikel unter Leitung der klinischen Psychologin Eva Hoch von der Universität München beschrieben. Das Team sieht Beweise für den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem akuten oder chronischen Gebrauch von Cannabis und einem „kardiovaskulären Ereignis“ wie einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall. Allerdings müssen Effekte von gleichzeitig mit Cannabis konsumierter Drogen wie Alkohol oder Tabak berücksichtigt werden. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte Wirkstoffe wie Cannabidiol (CBD) sogar vor einem Schlaganfall schützen. Belastbare Studien dazu aber fehlen bislang.  

Was genau hat die jetzt veröffentlichte französische Studie untersucht? 

Eben weil die Studienlage insgesamt alles andere als klar ist, hat sich das Team der Universität Toulouse besonders das Herzkreislauf-Risiko durch Cannabis-Konsum vorgenommen. Berücksichtigt wurden in dieser „Meta-Analyse“ alle zwischen 2016 und 2023 veröffentlichten Studien, in denen ein Zusammenhang von Cannabis und einem Herzkreislauftod und auch einem überlebten Herzinfarkt oder Schlaganfall untersucht worden war. Aus insgesamt etwa 3000 Studien erfüllten am Ende nur 24 die geforderten Qualitätskriterien. 

Das klingt nach wenig, dennoch basieren diese 24 Untersuchungen zusammen auf den Gesundheitsdaten von rund 200 Millionen Menschen. Ihr größter Vorteil: Es sind „Real-world data“, also Daten aus dem alltäglichen Leben vieler Millionen Menschen, nicht aus dem Labor oder nur von einer ausgesuchten kleinen Probandengruppe. 

Die Gruppe der Cannabis-Konsumenten war hauptsächlich männlich und im Mittel jünger als die der Nichtkonsumenten. Fast alle Untersuchungen berücksichtigten zudem, ob die Teilnehmer auch Zigaretten rauchten. Das ist wichtig, weil Tabakkonsum ebenfalls auf das Herzkreislaufsystem wirkt und somit den Cannabis-Effekt überlagern könnte.

Welche Herzkreislauf-Risiken sind besonders erhöht? 

Drei Ergebnisse ragen aus dieser Analyse heraus. Erstens: Das Risiko für einen Schlaganfall war unter Cannabis-Konsumenten um 20 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe ohne Konsum. Dabei fand sich allerdings nicht in allen berücksichtigten Untersuchungen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko infolge des Cannabis-Gebrauchs. In der Summe aber zeigte sich doch eine deutlich erhöhte Gefahr. 

Zweitens: Noch etwas stärker war das der Fall für ein „akutes koronares Syndrom“. Darunter fallen plötzlich auftretende Störungen der Herzfunktion durch eine Minderversorgung des Herzmuskels infolge verengter Kranzgefäße, beispielsweise bei einem Herzinfarkt. Für solche akuten Erkrankungen lag das Risiko unter Cannabis-Konsumenten um 29 Prozent über dem der Vergleichsgruppe.  

Drittens: Das mit Abstand höchste Risiko aber zeigte sich in der Datenanalyse für ein Versterben aufgrund eines Herzkreislaufversagens. Darunter fällt beispielsweise auch der tödliche Ausgang eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls. Für Cannabis-Nutzer war dieses Risiko etwa doppelt so hoch wie für Nichtkonsumenten. 

Welche Schlussfolgerungen ziehen die Forschenden aus ihrer Studie? 

Die Ergebnisse decken sich mit früheren Untersuchungen und verstärken darum die Notwendigkeit, Cannabis als Risiko für das Herzkreislaufsystem anzusehen. Sicher fehlen noch viele Detaileinsichten, das mindert aber nicht den Wert der neuen Studie. Das französische Team empfiehlt jedenfalls, in Praxen und Kliniken Cannabis-Gebrauch immer dann als möglichen Faktor zu bedenken, wenn schwere Herzkreislaufbeschwerden diagnostiziert werden.  

Einen Schritt weiter noch geht der kommentierende Leitartikel von zwei erfahrenen US-Fachleuten. Sie fordern, Cannabis-Konsum grundsätzlich als Herzkreislauf-Risiko zu bewerten und in die Vorsorge einzubeziehen. Denn die ermittelten Risiken für Herz und Gefäße sind durchaus vergleichbar mit denen des Tabakkonsums. Gefordert wird in dem Editorial des Journals „Heart“ zwar nicht die Kriminalisierung von Cannabis-Konsum, wohl aber eine verstärkte Aufklärung vor den Risiken, zudem unübersehbare Warnungen in Verkaufsstellen und der Schutz von Unbeteiligten vor dem Passivrauchen.