Aus Eins mach Drei: Drangsal ist nicht mehr nur Max Gruber. Der musikalische Einfluss der beiden neuen Bandkollegen macht sich im neuen Album bemerkbar.
Nach drei Alben allein als Drangsal hat Max Gruber etwas Neues gebraucht. „Mir war klar, dass ich jemanden finden muss, mit dem ich sozusagen Ideen-Pingpong machen kann“ – sonst würde er wieder zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, sagte Gruber im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Und so wurde Drangsal von einem Soloprojekt zu einer dreiköpfigen Band.
Zusammen mit Lukas Korn, zuvor schon Bassist in der Liveband von Drangsal, und Marvin Holley entstand nun das Album „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“. Wie fällt der musikalische Neustart aus?
Genre, Songanzahl, Länge:
Indierock – die 17 Songs dauern 58:39 Minuten.
So klingt es:
Es ist ein komplett anderes Album, als man es bislang von Drangsal kennt. Statt dem typischen Synthie-Sound, der auch aus den 80ern stammen könnte, sind in vielen Songs ein Piano, Streicher oder eine Akustikgitarre zu hören. Vereinzelt kommen Chöre zum Einsatz.
Trotzdem liefern Drangsal auch typische, gut tanzbare Indierock-Songs (etwa „Bergab“ oder „Die satanischen Fersen“) – aber immer kombiniert mit den neuen Elementen.
So hat fast jeder Song verschiedene Facetten, ändert plötzlich die Instrumentalisierung und das Tempo. Auf eine schnelle Indierock-Nummer folgt ein langsames Outro mit Streichern. Aus einer Akustikgitarre wird mitten im Song eine schrille E-Gitarre und Gruber wird deutlich lauter – kurz darauf wechselt der Song wieder in sein Ursprungstempo.
Darum geht es:
Textlich bleibt sich Drangsal treu – die Texte stammen weiterhin allein aus der Feder von Max Gruber. Er setzt auch im neuen Album auf teils melancholische, teils verträumte Botschaften. Die Texte sind einerseits düster, andererseits mit Galgenhumor zu verstehen, wie Gruber selbst betont. So klingt er geradezu fröhlich, während er singt „Bergab, es geht Bergab!“.
Nach wie vor bleibt Drangsal zweisprachig – in vier Songs singt Gruber auf Englisch.
Das sagt Max Gruber im Interview:
Dass seine Bandkollegen Korn und Holley für neue musikalische Einflüsse sorgen sollten, war Grubers erklärtes Ziel. Und dennoch fiel es ihm anfangs schwer, diese Einflüsse zuzulassen, wie er im Interview erzählt. „Das war für die beiden ein emotionaler Mehraufwand, mir die Angst zu nehmen, zu sagen: „Jetzt lass doch mal los““.
Doch letztlich sei es ihnen gelungen. „Meine musikalischen Impulse wurden im Laufe der Produktion immer vager und vager. Es war mal nur ein Akkord oder so eine halbe Melodie. Ich habe dann halt gelernt, einfach Platz für die anderen beiden zu lassen“, sagt Gruber. Er habe während der Albumproduktion sogar stellenweise geschlafen – und damit sozusagen den Schlaf aus der Entstehungszeit der vergangenen drei Alben nachgeholt. Und vielleicht ist es genau dieser Schlaf, von dem Gruber im bereits vor vorab veröffentlichtem Song „Ich hab von der Musik geträumt“ singt.
Welche Songs herausstechen:
Zwar findet sich der etwas sperrige Albumtitel „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ selbst nicht auf der Setliste. Doch bildet der kryptische Satz den Refrain des Songs „Die satanischen Fersen“ und sorgt zusammen mit klassischem Indierock-Sound für Ohrwurmpotenzial.
Kein anderer Song bildet die gesamte musikalische Bandbreite des Albums so gut ab wie „Funke & Benzin“. Elektronischer Beat, Streicher und Akustikgitarre werden wie aus dem Nichts abgelöst von einem E-Gitarrenriff, der klingt wie ein Alarmton. Eingeleitet wird dieser Alarm mit den Textzeilen „Wie viel man uns auch zu fressen gibt, mit jedem Bissen wächst unser Appetit. Selbst wenn der Hammer des Herrn dann auf uns niedergeht, wollen wir mehr“ – eine Botschaft, die man durchaus auf den Umgang mit dem Klimawandel beziehen kann.
Für wen sich das Album lohnt:
Wer noch einmal Lust hat auf ein Revival der 80er und ihres Synthie-Sounds, der wird von „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ womöglich enttäuscht sein. Denn auch wenn in der Vergangenheit nicht jeder Drangsal-Song danach klang, gehörter dieser Sound zu seiner DNA.
Wer Drangsal immer schon für seine musikalische Vielseitigkeit schätzte, der dürfte auch mit dem neuen Album etwas anfangen können. Zumal eines gleich bleibt: Zu den Melodien von Drangsal lässt es sich gut in den von Gruber besungenen Weltuntergang tanzen.