Ein Goldschakal hat auf Sylt viele Schafe gerissen. Nun wird vor Gericht über den Abschuss des Tieres gestritten. Die wichtigsten Fakten zu dieser neu eingewanderten Tierart.
Woher stammt der Goldschakal und seit wann lebt er bei uns?
Der Goldschakal war ursprünglich von Indien bis nach Südosteuropa beheimatet. „Aktuell breitet er sich sehr schnell nach Westen und Norden aus. Warum das so ist, wissen wir nicht“, sagt Prof. Klaus Hackländer, Wildbiologe und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Über Ungarn und Österreich kam der Goldschakal auf natürlichem Weg bis nach Deutschland. Die erste seriöse Fundmeldung stammte 1997 aus Brandenburg. Wie viele Tiere hier leben, ist nicht bekannt. Es dürften jedoch einige Dutzend sein, schätzen Experten. Viele Meldungen über Goldschakale in Deutschland seien eher zufällig, so Hackländer. Sie stammen etwa von Jägern, die vermeintlich einen Fuchs geschossen hatten, oder von überfahrenen Exemplaren.
Wie leben Goldschakale?
„Der Goldschakal zeichnet sich durch eine riesige Flexibilität aus“, sagt Hackländer. Er kann als einzelnes Individuum oder paarweise unterwegs sein. Aus Ungarn gibt es auch Berichte von bis zu 20-köpfigen Rudeln, die dann gemeinsam jagen und in der Lage sind, größere Beute zu überwinden.
Auch hinsichtlich ihrer Beute sind Goldschakale Opportunisten. Wie Füchse sind sie Allesfresser, verschmähen weder Aas noch Amphibien, Eier oder Küken von Bodenbrütern. „Das sind ideale Voraussetzungen, um sich in der Kulturlandschaft erfolgreich auszubreiten“, erklärt der Wildbiologe.
Warum ist das Exemplar auf Sylt in einen Blutrausch verfallen?
„Das ist ein unnatürliches Verhalten“, sagt Hackländer. Der Goldschakal findet dort eine unnatürliche Situation vor, nämlich eine große Gruppe Beutetiere, die nicht wegrennen kann, weil sie hinter einem Zaun lebt. Man müsse sich das wie einen Fuchs vorstellen, der in einem Hühnerstall alles tötet, was er erlegen kann. Außerdem seien auch manche Schafrassen dahingehend domestiziert worden, dass sie durch zum Beispiel einen Hütehund gelenkt und zusammen gescheucht werden können.
Sind Goldschakale auch für Menschen gefährlich?
Für den Menschen gehe von Goldschakalen keine Gefahr aus, so Hackländer. Sie sind nur so groß wie ein hochbeiniger Fuchs. Tollwut können sie nicht übertragen, da diese Viruserkrankung hierzulande ausgerottet wurde. Lediglich als Träger des Fuchsbandwurms – ebenso wie Füchse – kommen sie in Betracht. Normale Handhygiene nach einem Waldaufenthalt reiche zum Schutz gegen eine Infektion aus, sagt der Wildexperte.
Unterliegt der Goldschakal wie der Wolf dem Artenschutz?
Innerhalb von Europa ist der Goldschakal nur in Deutschland streng geschützt. „Es ist verboten, einen Goldschakal zu töten, zu verletzen oder zu stören“, sagt Hackländer.
Eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss kann es nur geben, wenn Menschen gefährdet seien oder aufgrund eines ernsten wirtschaftlichen Schadens, erklärt der Wildbiologe. Denn der Goldschakal ist eine geschützte Tierart – und darf somit eigentlich nicht bejagt werden. Nachdem das Tier auf Sylt Dutzende der auch für den Deichschutz wichtigen Schafe gerissen hatte, erteilte das Landesamt für Umwelt in Kiel in der vergangenen Woche eine Ausnahmegenehmigung für Jäger. Dies ist laut Bundesnaturschutzgesetz etwa wegen „Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden, aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses und zum Schutz der natürlich vorkommenden Tierwelt“ möglich. Die Jagd auf das Raubtier auf Sylt wurde bis zum 31. Juli 2025 erlaubt.
Warum nun die Kehrtwende der Behörde?
Ein geschütztes Tier zu töten, sollte die allerletzte Möglichkeit sein, so Hackländer. Eine Naturschutzinitiative aus Rheinland-Pfalz legte am Dienstag gegen die sogenannte Allgemeinverfügung Widerspruch ein und zog parallel vor Gericht. Das Verwaltungsgericht in Schleswig entschied, dass der Widerspruch die Ausnahmegenehmigung bis zur endgültigen Entscheidung außer Kraft setzt. „Alle jagdlichen Maßnahmen sind ab sofort unzulässig“, erklärte das Landesamt anschließend.
Die Aussetzung der Abschussgenehmigung erfolgt vor allem aus praktischen Gründen. Denn sollte der Goldschakal in der Zwischenzeit geschossen werden, würde sich eine Gerichtsentscheidung erledigt haben. „Es sollen keine unumkehrbaren Tatsachen geschaffen werden“, erläuterte Gerichtssprecherin Freya Gräfin Kerssenbrock im Gespräch mit dem stern. Das Verwaltungsgericht soll ihren Angaben zufolge in den kommenden ein bis zwei Wochen über den Eilantrag des Naturschutzverbandes entscheiden – bis dahin darf der Goldschakal leben.
Welche Alternativen gäbe es zum Abschuss?
Der Goldschakal auf Sylt könnte gefangen und an einen anderen Ort gebracht werden. Das sei jedoch sehr schwierig, weiß Wildbiologe Hackländer. „Anders als etwa Füchse gehen sie nur sehr selten in aufgestellte Rohr- oder Drahtkastenfallen.“ Zudem müsse erst ein Bundesland gefunden werden, das das Tier aufnehme. Ob er dort von seinem gelernten Verhalten ablasse, sei zweifelhaft, meint Hackländer. Die Kehrtwende des Landesamtes habe dem Naturschutz einen Bärendienst erwiesen, sagt der Forscher. Die Bewohner von Sylt hätten wohl nur ein Kopfschütteln dafür übrig, dass sich die Behörde jetzt nochmal mit dem Goldschakal beschäftigen muss. Für seine Artgenossen bedeute das Treiben des Sylter Raubtiers jedenfalls Ungemach, sagt Hackländer: „Bis vor ein paar Tagen hatte der Goldschakal ein gutes Image als etwas größerer Fuchs, jetzt geht es auch bei ihm in Richtung Wolfsdebatte.“