morgen|stern: Elon Musk vs. Donald Trump: Der Reichere gibt nach. Die Lage am Morgen

Elon Musk zeigt sich reumütig. Auf welches Nazigesetz selbst heute noch Gefängnis steht. Und was sonst heute noch wichtig wird. 

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie entschuldigen Sie sich, wenn Sie so richtig Mist gebaut haben? Mit einem fraglich duftenden Tankstellenstrauß und spiegelerprobtem Dackelblick? Mit ehrlichen Worten und einem frommen Gelöbnis der Besserung? Oder wie ein echter Mann? Also gar nicht. 

Elon Musk hat, wie immer, seinen eigenen Weg gefunden. Will heißen: keinen guten. Nach seinem kurzen, aber heftigen Rosenkrieg mit Buddy/Mentor/Was-auch-Immer Donald Trump trat der Tech-Milliardär nun öffentlich den verbalen Rückzug an. Nun, zumindest den ersten Schritt. 

„Ich bereue einige Posts über Präsident Donald Trump vergangene Woche. Sie gingen zu weit“: 

Tweet Elon Musk

Als jemand, dessen sozialer Kompass hoffentlich halbwegs geeicht ist, werden Sie nun sagen: „Das ist doch keine Entschuldigung!“ Recht haben Sie. Aber geben Sie dem Mann Zeit. Schlecht Ding will Weile haben. 

Außerdem ist das nur das offizielle erste Etappenziel seines Gangs nach Canossa. US-Medienberichten zufolge soll Musk vor dem Absetzen seines Reue-Tweets mit Trump persönlich telefoniert haben. Davor wiederum habe er bei dessen Stabschefin Susie Wiles und Vizepräsident JD Vance vorgefühlt. Das war vermutlich schlau. Hätten die vier direkt miteinander gesprochen, hätte eine unschöne Gruppendynamik entstehen können. Geendet hätte das vielleicht so:

Musk: „Donald, ich… ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“

Trump: „Komisch. Du weißt doch sonst immer alles.“

Vance:„Ja! Zeigen Sie’s ihm, Sir!“

Wiles: „Mr. Vice President, ich glaube nicht, dass das hilfreich…“

Unbekannt:*räuspert sich*

Musk:„Was? Wer war das? Wer ist sonst noch in der Leitung?“

Vance:„Oh, ähm. Also… Vielleicht hab‘ ich aus Versehen…“

Trump: „JD, nicht schon wieder!!!“

„Atlantic“-Chefredakteur:„Bitte, die Herren. Stören Sie sich gar nicht an mir.“

Naja, oder so ähnlich. 

Vielleicht hatte Musk auch einfach nur Angst, Trump könne die Nationalgarde alsbald zur nächstbesten Tesla-Fabrik beordern. 

SPD-Manifest: Zwergenaufstand oder Mega-Meuterei?

Das „Manifest“ mehrerer Spitzen-SPDler, über das meine Berliner stern-Kollegen zuerst berichteten (so viel Lob muss sein), hat ganz schön für Aufruhr gesorgt. Kein Wunder, kommt das Grundsatzpapier, in dem die Genossen unter anderem Gespräche mit Russland fordern, einer Meuterei gefährlich nahe. Aber: Wie gefährlich ist die Sache für Klingbeil und Co. denn nun wirklich? Ex-Chef Sigmar Gabriel klärt im neuen „5-Minuten-Talk“ auf: 

Schwarzfahren für alle!

Ich möchte Ihnen natürlich nichts unterstellen. Aber vielleicht standen Sie bereits mehr als einmal mit einem Bein im Knast – und wussten es nicht einmal. Oder wussten Sie, dass auf wiederholtes Schwarzfahren bis zu ein Jahr Gefängnis steht? Tatsache.

Die Regel stammt noch aus der Nazizeit, abgeschafft hat den Paragraf 265a StGB bisher niemand. Tausende Menschen wandern wegen dieser „Erschleichung von Leistungen“ jedes Jahr hinter Gitter, vor allem Arbeits- und/oder Obdachlose, die sich den Fahrschein schlicht nicht leisten konnten. 

Um auf die Unverhältnismäßigkeit aufmerksam zu machen, ruft der Verein „Offene Tore“ heute zum „Freedom Day“. Mit ihrer Initiative „Freiheitsfonds“ wollen die Betreiber bislang nicht nur fast 1300 Menschen „freigekauft“, sondern dem Staat auch mehr als 18 Millionen Euro an Kosten eingespart haben. 

Sie fordern nicht nur die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens, sondern gleich einen komplett kostenlosen ÖPNV. Wenn sie damit mal nicht über die Endstation hinausfahren.

Rückkehr ins Ungewisse

Endlich kann ich Ihnen auch einmal gute Nachrichten verkünden – und wegen eines Papiers, von dem ich mir nun wirklich nichts versprochen habe. Laut dem neuen Bericht des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (kurz UNHCR) konnten vergangenes Jahr fast zehn Millionen Vertriebene in ihre Heimat zurückkehren, darunter 1,6 Millionen Menschen, die ins Ausland geflüchtet waren.

Das klingt erstmal großartig. Aber, und das kann ich Ihnen nicht verschweigen: Viele Menschen wurden zur Rückkehr gezwungen, obwohl sich die Lage zuhause keineswegs verbessert hat. Und: Ende April waren weltweit 122 Millionen Menschen auf der Flucht, zwei Millionen mehr als im Vorjahr:

Was heute sonst noch ansteht

Es ist der erste Prozesstag gegen den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu. Dem Hoffnungsträger vieler Erdogan-Gegner wird „versuchte Einflussnahme auf einen Justizbeamten, Sachverständigen oder Zeugen“ vorgeworfen. Ihm drohen bis zu vier Jahre Haft und ein PolitikverbotItalien lädt die Außenminister der Runde „Weimar+“ zu Ukraine-Gesprächen ein – darunter die Top-Diplomaten aus Polen, Frankreich, Spanien, Großbritannien und DeutschlandDie OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Abkürzung schreit nach einer „Wer wird Millionär?“-Frage) stellt heute den Konjunkturbericht für Deutschland vorSie merken es vielleicht schon: Es wird heiß. Die erste, wenn auch recht kurze, Hitzewelle des Jahres steht an. Arg wird es vor allem im Westen und Südwesten: heute bis zu 33, morgen bis zu 35 Grad

Die Fernöstliche Weisheit des Tages

Eine der dämlichsten, je in Worte gepressten Erziehungsmaßnahmen ist für mich die Mahnung: „Würdest du das auch bei dir zuhause machen?“ 

Dämlich, weil die Antwort meist lautet: „Ja, würde ich.“ Ja, ich würde zuhause die Füße auf den Couchtisch legen. Ja, ich würde das Geschirr erstmal in der Spüle vergessen. Ja, ich würde direkt aus der Flasche trinken.

Aber: Nein, ich würde den Müll bei mir zuhause nicht auf den Boden werfen. Damit haben sie mich. Und mit „sie“ meine ich die, „die da oben“. Also, die hier oben in Korea. 

Müllst du noch oder zahlst du schon?

Überlegen Sie es sich zweimal, ob Sie in Seoul mit einem Kaugummi im Mund aus der Tür gehen – vermutlich werden Sie stundenlang darauf rumkauen müssen. Denn Mülleimer sind hier seltener als Schattenplätze. 

Der Mangel ist nicht nur akut, sondern tatsächlich gewollt. Die Idee: Wer Müll verursacht, soll für dessen Entsorgung bezahlen. Die Menschen nehmen ihren Abfall tatsächlich mit nach Hause – oder warten auf eine günstige Gelegenheit. 

Nicht nur öffentliche Mülleimer, sondern auch Mülltonnen suchen Sie hier vergebens. Ihre Abfälle stellen die Koreaner abends an die Straßenecke, die Müllabfuhr kommt täglich. Aber wehe Ihnen, Sie packen ihren Unrat nicht in die teuren, staatlich zertifizierten, bezirksspezifischen Plastiksäcke.

Es nervt. Aber es funktioniert. Erinnert mich sehr an zu Hause.

Ich wünsche Ihnen einen großartigen Tag – annyeonghi gyeseyo!

Ihr

Yannik Schüller